Dornenschwestern (German Edition)
George», flüstere ich.
Seine Blasiertheit und sein Selbstvertrauen sind wie fortgeblasen. Trotz seiner Magerkeit und seiner Trauer sieht er gut aus. Er lehnt den Kopf gegen die geschnitzte Kamineinfassung.
«Ich kann es immer noch nicht glauben. Wenn ich dich hier sehe … ich kann nicht glauben, dass sie nicht hier bei dir ist.»
«Sie hat mir geschrieben, es gehe ihr gut.»
«Es ging ihr auch gut», entgegnet er eifrig. «Sie war glücklich! Und der Kleine ist ein schöner Knabe. Plötzlich fühlte sie sich schwach, ihre Kräfte verließen sie über Nacht, und am Morgen war sie tot.»
«War es ein Fieber?», frage ich und hoffe verzweifelt, dass er Ja sagt.
«Ihre Zunge war schwarz», erklärt er mir.
Entgeistert sehe ich ihn an: Das ist ein sicheres Zeichen für eine Vergiftung. «Wer kann es gewesen sein?»
«Mein Arzt hört sich in ihrem Haushalt um, in unserer Küche. Ich weiß, dass die Königin in der Zeit des Rückzugs vor der Geburt eine Frau zu Isabel geschickt hat, die ihr unverzüglich berichten sollte, ob wir einen Jungen oder ein Mädchen haben.»
Ein entsetztes Zischen entfährt mir.
«Oh, das ist normal. Das wusste ich seit Monaten. Sie wird auch hier einen Diener beauftragt haben, dich zu beobachten», fährt er fort. «Und sie hat einen Mann in eurem Haushalt platziert, vielleicht in den Ställen, der sie warnt, wenn ihr zu einer Reise aufbrecht, vielleicht auch in der Halle, um Gespräche zu belauschen. Sie lässt uns beobachten, seit wir an den Hof gekommen sind. Sie hat auf dich genauso jemanden angesetzt wie auf Isabel. Sie vertraut niemandem.»
«Edward vertraut meinem Gemahl», widerspreche ich. «Sie lieben sich, sie halten einander die Treue.»
«Und die Königin?» Er lacht kurz über mein Schweigen.
«Willst du mit dem König darüber sprechen?», frage ich. «Willst du ihm sagen, dass du die Königin für schuldig hältst?»
«Er wird mir wahrscheinlich ein Bestechungsgeschenk anbieten, um mich zu kaufen», sagt George. «Und ich glaube, ich weiß auch schon, was. Er will mich bestimmt zum Schweigen bringen. Er will nicht, dass ich seine Frau als Giftmörderin und ihre Kinder als Bastarde verunglimpfe.»
«Scht.» Mein Blick huscht zur Tür. Ich trete zu ihm ans offene Feuer. Wir stecken die Köpfe zusammen wie Verschwörer, und unsere Worte steigen den Kamin hinauf wie Rauch.
«Edward wird mich aus dem Weg haben wollen, damit ich ihn nicht in Verruf bringen kann.»
Ich bin entsetzt. «Er wird dich doch nicht einsperren?»
Georges Lächeln ist eine Grimasse. «Er wird mir befehlen, mich wieder zu verheiraten», prophezeit er. «Ich weiß es. Er wird mich nach Burgund schicken, um Maria von Burgund zu heiraten. Ihr Vater ist tot, unsere Schwester Margaret, seine Witwe, hat mich vorgeschlagen. Maria ist ihre Stieftochter, mit ihrem Einverständnis kann ich sie heiraten. Edward sieht es als Möglichkeit, mich außer Landes zu schaffen.»
Mir laufen die Tränen über die Wangen. «Aber Isabel ist noch keinen Monat tot», entgegne ich weinend. «Sollst du sie augenblicklich vergessen? Soll nach ihrer Beerdigung innerhalb von wenigen Wochen eine neue Frau ihren Platz einnehmen? Und was ist mit deinen Kindern? Kannst du sie nach Flandern mitnehmen?»
«Ich werde mich weigern», sagt George. «Niemals werde ich meine Kinder verlassen, genauso wenig wie mein Land, und gewiss werde ich nicht zulassen, dass die Mörderin meiner Gemahlin frei herumläuft.»
Ich schluchze, denn ihr Verlust ist so schmerzlich und der Gedanke, dass George eine andere Frau heiratet, empörend. Ohne sie fühle ich mich an diesem gefährlichen Ort sehr allein.
George legt mir die Arme um die zuckenden Schultern. «Schwester», sagt er zärtlich. «Meine Schwester. Sie hat dich so geliebt, sie war in Sorge und wollte dich schützen. Sie hat mir das Versprechen abgenommen, dich zu warnen. Ich werde auf dich aufpassen.»
Wie immer muss ich in der Stunde vor dem Abendessen in den Gemächern der Königin warten, bis der König und sein Hofstaat sich zu uns gesellen, damit wir uns alle zusammen in die große Halle begeben können. Die Hofdamen der Königin gehen davon aus, dass ich wegen meiner Trauer so still bin, und lassen mich in Ruhe. Nur Lady Margaret Stanley, die kürzlich mit ihrem Gemahl Thomas an den Hof gekommen ist, nimmt mich zur Seite und erzählt mir, sie bete für die Seele meiner Schwester und für ihre seligen Kinder. Ihre Freundlichkeit rührt mich seltsam an, und ich bemühe mich um
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