Dornenschwestern (German Edition)
ein Lächeln und danke ihr für ihre Gebete. Sie hat ihren Sohn, Henry Tudor, zu seiner Sicherheit ins Ausland geschickt, denn sie vertraut dem König nicht und wollte ihn nicht in seine Obhut geben. Der junge Tudor gehört dem Hause Lancaster an und ist ein vielversprechender junger Mann. Sie kann nicht zulassen, dass er in diesem Land von einem yorkistischen Vormund aufgezogen wird, und auch wenn sie mit einem yorkistischen Lord verheiratet ist und in der Gunst des Königs und der Königin steht, vertraut sie dieser königlichen Familie nicht recht. Sie versteht, wie es ist, den König zu fürchten, dem man dient, sie weiß, was es bedeutet, vor der Königin zu knicksen und nicht zu wissen, ob sie die Widersacherin ist.
Als Richard lächelnd mit seinem Bruder, dem König, hereinkommt und mich bei der Hand nimmt, um mich zum Essen zu geleiten, gehe ich dicht neben ihm und flüstere ihm zu, dass George an den Hof gekommen sei und mir versprochen habe, den Mörder meiner Schwester zu finden.
«Wie will er das von Flandern aus anstellen?», fragt Richard in bissigem Ton.
«Er geht nicht nach Flandern», erwidere ich. «Er will sich weigern.»
Richard lacht so laut, dass der König sich umdreht und ihn angrinst.
«Was ist denn so lustig?», fragt er.
«Nichts», entgegnet Richard. «Meine Gemahlin hat mir nur gerade einen Witz über George erzählt.»
«Über unseren Herzog von Burgund?» Der König lächelt mich an. «Unseren Prinz von Schottland?»
Die Königin lacht auf und versetzt dem König einen Klaps auf den Arm, wie um ihn zu tadeln, dass er sich öffentlich über seinen Bruder lustig macht. Doch ihre grauen Augen funkeln. Ich scheine die Einzige zu sein, die den Witz nicht recht versteht. Richard zieht mich zur Seite, und die Prozession schreitet an uns vorbei.
«Nein», sagt er, «es ist genau umgekehrt. George ist derjenige, der das Herzogtum Burgund haben will. Er hofft, Herzog eines der reichsten Länder Europas zu werden und Maria von Burgund zu ehelichen. Oder wenn nicht sie, dann die Prinzessin von Schottland. Er ist nicht wählerisch, solange seine nächste Gemahlin wohlhabend ist und ein Königreich befehligt.»
Ich schüttele den Kopf. «Er hat mir persönlich gesagt, dass er nicht geht. Er trauert um Isabel. Er will nicht nach Flandern. Der König will ihn außer Landes haben, um ihn zum Schweigen zu bringen.»
«Unsinn. Das würde Edward niemals erlauben. George als Herrscher über Flandern könnte er nie vertrauen. Die Besitzungen des Herzogs von Burgund sind riesig. Niemand von uns würde George so viel Macht und so viel Wohlstand anvertrauen wollen.»
Ich bin auf der Hut. «Wer hat dir das gesagt?»
Über seine Schulter sehe ich, wie die Königin am hohen Tisch Platz nimmt und den Blick durch die große Halle schweifen lässt. Sie wendet sich um und sieht, dass mein Gemahl und ich die Köpfe zusammenstecken. Dann beugt sie sich zum König hinüber und sagt kurz etwas zu ihm, woraufhin er sich ebenfalls umwendet und uns anblickt. Es ist, als zeigte sie mit dem Finger auf mich und warnte ihn vor mir. Als ihr Blick gleichgültig über mich hinweggleitet, zittere ich.
«Was ist los?», fragt Richard.
«Wer hat dir gesagt, dass George nach Flandern oder nach Schottland möchte und dass der König es nicht erlaubt?»
«Der Bruder der Königin, Anthony Woodville, Lord Rivers.»
«Oh», ist alles, was ich sage. «Dann muss es ja stimmen.»
Sie blickt durch die große Halle zu mir herüber und schenkt mir ihr schönes, unergründliches Lächeln.
Gerüchte machen am Hof die Runde, und alle scheinen über mich, über Isabel und George zu reden. Es ist allgemein bekannt, dass meine Schwester unvermittelt verstorben ist, nachdem sie die Geburt gut überstanden hatte, und die Leute fragen sich, ob sie womöglich vergiftet wurde, und wenn ja, durch wessen Hand. Die Gerüchte verdichten sich, weitere Einzelheiten werden bekannt, und eine ängstliche Stimmung breitet sich aus, als George sich weigert, in der großen Halle zu speisen und mit der Königin zu sprechen. Zwar nimmt er sein Barett ab, verneigt sich aber nicht, wenn sie vorübergeht. Hinter ihrem Rücken kreuzt er die Finger, sodass derjenige neben ihm mitbekommt, dass er sich mit diesem Zeichen gegen das Hexenwerk der Königin schützen will.
George wiederum macht ihr Angst. Sie wird blass und schaut fragend zu ihrem Gemahl, weil sie angesichts seines ungeheuerlichen Benehmens nicht weiß, was sie tun soll. Früher hat ihr Bruder,
Weitere Kostenlose Bücher