Dornenschwestern (German Edition)
Deine Gemahlin auf, Richard, und pass auf Dich auf. Wir alle sind in Gefahr, weil unser Bruder, der König, sich mit den falschen Leuten eingelassen hat. Mein kleiner Sohn lebt. Ich bete für Euch und die Euren. Verbrennt diesen Brief.
Richard nimmt mir die Nachricht aus der Hand, wirft sie in die rot glühenden Kohlen und wartet, bis das Papier sich aufrollt, schwarz wird und plötzlich aufflammt.
«Sie hat es gewusst.» Ich zittere, von den Fingerspitzen bis zu den Zehen, als hätte der Brief mich wie ein eisiger Sturm umfangen. «Sie hat es vorhergesehen.»
Richard packt mich und führt mich zum Bett, denn die Knie geben unter mir nach.
«George hat es mir auch gesagt, aber ich wollte nicht auf ihn hören.»
«Sie hat mir erzählt, ein Spion der Königin sei in ihrem Haus, und es wäre auch einer in unserem Haushalt.»
«Das bezweifle ich nicht. Die Königin vertraut niemandem, und sie bezahlt Diener für Auskünfte. Das tun wir alle. Doch warum sollte sie Isabel vergiften?»
«Aus Rache», antworte ich kläglich. «Unsere Namen stehen auf einem Blatt Papier, das sie in einer emaillierten Dose zwischen ihrem Schmuck aufbewahrt.»
«Was?»
«Isabel hat es gewusst, aber ich wollte nichts davon wissen. Sie hat gesagt, die Königin habe geschworen, sich an dem Mörder ihres Vaters zu rächen – also an unserem Vater. Sie hat unsere Namen mit Blut auf ein verstecktes Blatt Papier geschrieben. Isabel hat mir prophezeit, dass ich eines Tages von ihrem plötzlichen Tod hören würde, dann sei sie vergiftet worden.»
Richards Hand fährt an den Gürtel, wo normalerweise sein Schwert hängt, als dächte er, wir müssten hier, im Westminster Palace, um unser Leben fürchten.
«Ich habe nicht auf sie gehört!» Plötzlich begreife ich, dass ich sie tatsächlich verloren habe, und werde von Schluchzern geschüttelt. «Und ihr Neugeborenes! Und Margaret! Und Edward! Sie müssen ohne Mutter aufwachsen! Und ich habe ihr nicht beigestanden! Ich sagte, sie wäre sicher.»
Richard geht zur Tür. «Ich rede mit dem Boten.»
«Du hast mich nicht zu ihr gelassen!», fahre ich auf.
«Und das war gut so», sagt er trocken.
Ich stehe auf. «Ich komme mit.»
«Aber nur, wenn du nicht weinst.»
Mit fahrigen Bewegungen wische ich mir über das nasse Gesicht. «Ich schwöre, ich werde nicht weinen.»
«Ich will nicht, dass die Nachricht sich schon herumspricht. George wird auch dem König geschrieben haben. Wir müssen uns mit Anschuldigungen zurückhalten, und du darfst nicht weinen. Du musst dich ruhig verhalten und schweigen, vor allem gegenüber der Königin. Wir müssen unbedingt so tun, als würden wir sie nicht verdächtigen.»
Ich beiße die Zähne zusammen und sehe ihn an. «Wenn George recht hat, dann hat die Königin meine Schwester auf dem Gewissen.» Ich zittere nicht mehr, meine Schluchzer sind verebbt. «Wenn Georges Vorwürfe stimmen und sie auch meinen Tod plant, dann ist sie meine Feindin. Wir leben in ihrem Palast und essen die Speisen aus ihrer Küche. Siehst du, ich erhebe keine Vorwürfe, und ich weine nicht. Aber ich werde mich und die Meinen schützen und dafür sorgen, dass sie für den Tod meiner Schwester büßt.»
«Wenn es stimmt», sagt Richard ruhig. Es ist wie ein Versprechen.
«Wenn es stimmt», pflichte ich ihm bei.
Westminster Palace, London
Januar 1477
A us Trauer um meine Schwester trägt der Hof Dunkelblau. Ich halte mich möglichst in meinen Gemächern auf. Den Anblick der Königin ertrage ich nicht, bin ich doch überzeugt, in ihrem schönen Gesicht die Mörderin meiner Schwester zu erblicken. Ich habe Angst um mich. Richard weigert sich, ein weiteres Wort darüber zu verlieren, bevor wir nicht George getroffen und mehr erfahren haben. Doch er schickt seine rechte Hand, Sir James Tyrrell, mit Anweisungen nach Middleham, auf unseren Sohn achtzugeben, sämtliche Mitglieder unseres Haushalts auf Herz und Nieren zu prüfen, besonders die, die nicht in Yorkshire geboren und aufgewachsen sind, und dafür zu sorgen, dass Edwards Speisen gekostet werden, bevor er davon isst.
Meine Speisen werden auf mein Geheiß hin in unseren privaten Gemächern im Palast zubereitet.
Als es plötzlich an der Tür klopft, fahre ich von meinem Stuhl am Kamin auf und muss mich am Tisch festhalten. Die Wache kündigt George an.
In Dunkelblau gekleidet kommt er herein, sein Gesicht ist abgehärmt und traurig. Er nimmt meine Hände und küsst mich. Als er mich ansieht, hat er Tränen in den Augen.
«Oh,
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