Dornenschwestern (German Edition)
Straßen überschwemmt sind, trifft er mit großer Verspätung ein. Es ist ein jubelnder, drei Seiten langer Brief.
Ich hatte recht. Ich habe einen Sohn. Er ist groß und kräftig und hat lange Glieder und blondes Haar wie sein Vater. Er trinkt gut, und ich bin schon auf und gehe umher. Die Geburt selbst war schnell und leicht. Ich habe George gesagt, dass ich noch eines haben will! So viele, wie er möchte! Ich habe dem König und der Königin geschrieben, und sie hat ihre Glückwünsche geschickt und sehr gutes Leinen.
George geht zu Weihnachten nun doch an den Hof, denn er möchte nicht, dass es so aussieht, als hätte er Angst. Nach dem Fest des Königs werden wir uns in Warwick Castle treffen. Du musst nach den Weihnachtstagen kommen und Dir das Kind ansehen. George sagt, es könne niemand etwas dagegen haben, wenn Du uns auf dem Weg nach Middleham besuchst, das sollst Du Deinem Gemahl von ihm ausrichten.
Es hat so viel geregnet, und mir war es egal, dass ich mich vor der Geburt in die abgedunkelten Gemächer zurückziehen musste, doch jetzt bin ich es langsam überdrüssig. Im Dezember erhalte ich den priesterlichen Segen, und dann fahre ich nach Hause. Ich kann es kaum erwarten, mit dem neuen Richard nach Warwick Castle zurückzukehren. Vater hätte sich sehr über einen zweiten Enkelsohn gefreut, ich wäre auf immer seine Lieblingstochter gewesen, er hätte sicherlich Großes mit ihm vorgehabt …
Und so geht es weiter auf drei zerknitterten Seiten und mit zahlreichen Randbemerkungen. Ich lasse den Brief sinken und lege eine Hand auf meinen weichen Bauch, als könnte die Wärme meiner Hand ein neues Kind ausbrüten wie ein Küken in einer Eierschale. Isabel tut recht daran, stolz und glücklich über die sichere Geburt ihres Kindes zu sein, und ich freue mich für sie. Doch sie hat nicht daran gedacht, dass ihre Worte mich treffen könnten: ihre jüngere Schwester, gerade einmal zwanzig Jahre alt, die nach vier, fast fünf Jahren Ehe nur einen kleinen Jungen zur Welt gebracht hat.
Doch sie prahlt nicht nur, denn am Ende des Briefes finden sich ein paar Worte, die zeigen, dass sie nach wie vor Angst vor der Königin hat.
Sei achtsam, wenn Du auf dem Weihnachtsfest etwas isst, liebste Schwester. Du weißt, was ich meine … Iz
Die Tür meines Audienzzimmers geht auf, und Richard kommt mit einem halben Dutzend Freunden herein, um mich und meine Hofdamen zum Essen zu geleiten. Ich stehe auf und schenke ihm ein Lächeln.
«Gute Nachrichten?», fragt Richard und richtet den Blick zum Brief auf dem Tisch.
«O ja!», antworte ich immer noch lächelnd. «Sehr gute.»
Westminster Palace, London
Weihnachtstag 1476
D ie Weihnachtszeit hat begonnen, und die königliche Familie strahlt mit ihren funkelnden Juwelen und in ihren farbenfrohen neuen burgundischen Gewändern, die sie ein kleines Vermögen gekostet haben.
Wir stehen früh auf, um an dem heiligsten Tag des Jahres die Messe in der Kapelle des Königs zu besuchen. Ich lasse mir eine große, mit feinstem Leinen ausgekleidete hölzerne Badewanne in mein Schlafgemach vor das Feuer rollen, und die Dienerinnen bringen heißes Wasser in Krügen und gießen es mir über die Schultern, während ich mir die Haare und den Körper mit Rosenblütenseife einreibe, die Richard eigens bei den maurischen Händlern für mich erstanden hat.
Sie hüllen mich in warme Laken, während sie mein Kleid für den Tag herauslegen. Ich werde dunkelroten Samt tragen, besetzt mit dunklem, schimmerndem Marderpelz – so edel wie die Pelze der Königin. Ich habe einen neuen Hennin, der auf meinem Kopf sitzt wie angegossen, mit Schnecken aus Golddraht über den Ohren. Sie kämmen mein Haar trocken, während ich vor dem warmen Feuer sitze, flechten es und drehen es unter dem Kopfschmuck hoch. Das neue Leinenhemd haben die Hofdamen unter meiner Anleitung diesen Sommer bestickt, und aus der Schatzkammer bringen sie mir meine Schatulle und ich wähle zu dem Kleid passende dunkelrote Rubine aus.
Richard kommt in mein Audienzzimmer, um mich zur Messe zu geleiten. Er ist ganz in Schwarz gekleidet, seine bevorzugte Farbe. Er sieht stattlich aus und fröhlich, und als ich ihn begrüße, verspüre ich das vertraute pulsierende Begehren. Vielleicht kommt er heute Abend in mein Gemach, und wir zeugen noch ein Kind. Welcher Tag könnte für einen neuen Erben des Herzogtums Gloucester besser geeignet sein als der Geburtstag des Christuskindes?
Er bietet mir seinen Arm an, während die prächtig
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