Dornenschwestern (German Edition)
Westminster Palace ihre geheimnisvollen Intrigen spinnt. Richards Schreiber räumt die Papiere der Bittsteller und die Schreibpulte mit Federkielen und Siegelwachs fort. Niemand belauscht unser Gespräch.
«Ich wollte dich fragen, ob wir nicht nach Middleham zurückkehren können.»
«Möchtest du die Kinder deiner Schwester sehen?»
«Und den kleinen Edward. Aber nicht nur das.»
«Was denn?»
«Du weißt schon.»
Er blickt sich um, um sicherzugehen, dass niemand uns hören kann. Richard, der seinem Bruder, dem König, treu ergeben ist, hat Angst, in seinen eigenen vier Wänden offen zu sprechen.
«Wenn ich ehrlich bin, kann ich George nur recht geben. Ankarette hat im Auftrag der Königin Isabel vergiftet», sage ich freiheraus. «Und vielleicht hat sie sogar das Kind getötet, denn sie hasst Isabel und mich und will sich für ihren toten Vater rächen. Sie führt eine Blutfehde gegen uns, und ich bin überzeugt, dass ich und die Kinder als Nächste dran sind.»
Richard blickt mir unverwandt in die Augen. «Das ist eine schwere Anschuldigung.»
«Das erwähne ich nur dir gegenüber, unter vier Augen. Öffentlich würde ich die Königin niemals beschuldigen. Wir wissen alle, was mit George geschah.»
«George hat sich des Hochverrats schuldig gemacht», erinnert Richard mich. «Es bestand kein Zweifel an seiner Schuld. Er hat den König verleumdet, ich habe es mit eigenen Ohren gehört, und mit dem Geld aus Frankreich einen neuen Aufstand geplant.»
«An seiner Schuld zweifle ich nicht, aber vorher ist ihm immer vergeben worden. Edward allein hätte George niemals vor Gericht gebracht. Du weißt, dass das auf Anraten der Königin geschah. Als deine Mutter dort war, um ein Gnadengesuch zu erwirken, hat die Königin darauf bestanden, dass George hingerichtet wird. Es ging nicht um einen Aufstand gegen den König, sondern die Königin hat sich als Herrscherin von George bedroht gefühlt.» Das kann Richard nicht leugnen.
«Und was fürchtest du?»
«Isabel hat mir von dem Zettel mit den zwei Namen in der Emaildose erzählt.»
Er nickt.
«Isabel glaubte, dass die Königin uns beide töten wollte.» Ich nehme seine Hände. «Richard, ich bin überzeugt, dass die Königin mir nach dem Leben trachtet. Ich weiß nicht, wie, ob durch Gift, einen vorgetäuschten Unfall oder einen Überfall auf der Straße. Ich habe große Angst.»
«Isabel wurde auf Warwick vergiftet», sagt er. «Weit weg von London, und es hat sie nicht gerettet.»
«Ich weiß. Aber in Middleham würde ich mich sicherer fühlen. Hier sieht sie mich am Hof, wo du um ihre Zuneigung zu Edward konkurrierst und ich sie an meinen Vater erinnere.»
Er zögert.
«Du hast mich selbst gewarnt, keine Speisen zu essen, die aus der Küche der Königin kommen», erinnere ich ihn.
Richard blickt mich ernst an. «Ja», sagt er. «Damals dachte ich, du wärst in Gefahr, und du bist auch jetzt in Gefahr. Du hast recht, wir sollten nach Middleham zurückgehen und uns vom Hof fernhalten. Ich habe viel zu tun im Norden, Edward hat mir Georges Besitzungen in Yorkshire zugesprochen. Wir werden London verlassen und nur an den Hof kommen, wenn es sein muss.»
«Und deine Mutter?», frage ich, denn ich weiß, dass auch sie der Königin Georges Tod niemals vergeben wird.
Er schüttelt den Kopf. «Sie gebärdet sich wie eine Verräterin und behauptet, Edward hätte mit solch einer Frau an seiner Seite niemals den Thron besteigen dürfen. Sie nennt Elizabeth eine Hexe. Sie wird London verlassen und in Fotheringhay leben. Auch sie wagt es nicht hierzubleiben.»
«Der Norden ist jetzt unsere Heimat», entgegne ich und stelle mir vor, wie wir dort leben, ohne Angst und weit weg vom Hof, wo das hektische Treiben, die Sucht nach Amüsement über das Ränkespiel der Königin und ihrer Brüder und Schwestern hinwegtäuschen sollen. Der Hof hat seine Unschuld verloren; dort herrscht keine fröhliche Stimmung mehr. Die Atmosphäre ist vergiftet, und ich bin froh, dass Middleham viele Meilen entfernt liegt.
Middleham Castle, Yorkshire
Sommer 1482
D och wir finden dort nicht den erhofften Frieden. Der König befiehlt Richard, die englischen Armeen gegen die Schotten zu führen, und als der Vertrag zwischen Schottland und England platzt und Anthony Woodville ohne seine versprochene schottische Königsbraut dasteht, ist es an Richard, die Rivers zu rächen: Er erobert mit einer kleinen englischen Streitmacht, hauptsächlich mit Männern aus dem Norden, die Stadt Berwick
Weitere Kostenlose Bücher