Dornenschwestern (German Edition)
möchte sich an sie oder an ihre Mutter erinnern, die im Kirchenasyl vor sich hin schmollt. Es ist, als wollte das ganze Land vergessen, dass monatelang große Angst herrschte, weil niemand wusste, was passieren, wer König werden würde. Der neue König wurde vor den Augen des Volkes gekrönt und ist von Gott bestimmt, und er und ich reiten im Hochsommer zusammen durch England, speisen unter Bäumen, während die Sonne heiß vom Himmel brennt, und besuchen die schönen Städte Englands, wo man uns als Retter begrüßt.
Nur einer erkundigt sich nach den Rivers-Jungen und ihrer Mutter im Kirchenasyl, gerade drei Meilen flussaufwärts. Sir Robert Brackenbury, jetzt Münzmeister und Kommandant des Towers, ist dafür verantwortlich, sie zu beschützen. Er ist der Einzige, der als gebürtiger Mann aus Yorkshire mich offen darauf anspricht.
«Und was wird aus den Rivers-Bastarden, Euer Gnaden? Jetzt, da sie sich in meiner Obhut befinden?»
Er ist ein ehrlicher Mann; ihm würde ich fast alles anvertrauen. Ich nehme ihn am Arm, und wir gehen durch den Hof des wunderschönen Collegs in Oxford.
«Sie haben keine Zukunft», erkläre ich ihm. «Sie dürfen weder zu Prinzen noch zu Männern heranwachsen. Wir müssen sie für immer festhalten. Mein Gemahl und ich wissen, dass sie auf ewig eine Gefahr für uns darstellen, schon allein durch ihre Existenz.»
Er bleibt stehen, und sein ehrlicher Blick begegnet dem meinen. «Gott schütze Euch, wünscht Ihr ihren Tod, Euer Gnaden?», fragt er rundheraus.
Voller Abscheu schüttele ich augenblicklich den Kopf. «So etwas kann ich mir nicht wünschen. Nicht, wenn das Leben zweier unschuldiger Jungen auf dem Spiel steht.»
«Ach, Ihr seid zu weichherzig …»
«Nein. Doch was für ein Leben werden sie führen? Sie sind für immer Gefangene. Selbst wenn sie auf alle Thronansprüche verzichten, gibt es immer jemanden, der in ihrem Namen Anspruch erhebt. Und wie sicher sind wir, solange sie leben?»
Wir reisen nach York, wo unser Sohn – jetzt also Prinz Edward – als Prince of Wales eingesetzt wird. Es ist eine Anerkennung für die Stadt, die Richard stets unterstützt hat und in der er noch mehr geliebt wird als in anderen Teilen des Landes. Der prunkvolle Empfang in der von einer Mauer umgebenen Stadt übertrifft alles, was wir bisher erlebt haben. Im York Minster mit seiner hohen Kuppel tritt mein Sohn Edward unter den aufmerksamen Blicken seines Cousins Edward und seiner Cousine Margaret vor und nimmt den goldenen Stab und die kleine goldene Krone des Prince of Wales entgegen. Der Jubel, als er hinaus auf die Stufen der Kirche tritt, um die Menschenmenge zu grüßen, ist so gewaltig, dass die Vögel hoch in den Himmel fliegen. Ich bekreuzige mich und flüstere: «Gott sei gedankt.» Ganz gewiss sieht mein Vater vom Himmel aus zu, wie sein Enkelsohn als Prince of Wales eingesetzt wird. Sein Kampf hat am Ende zum Sieg geführt. Der Königsmacher hat einen Prinz aus seinem Enkel gemacht. Auf dem Thron von England wird ein Warwick-Junge sitzen.
Wir werden eine Weile im Norden bleiben, unserem Zuhause, denn hier sind wir sehr glücklich. Wir bauen den Palast in Sheriff Hutton wieder auf, wo die Kinder leben werden, weit fort und geschützt vor den Krankheiten und Plagen Londons und der grüblerischen, bezwungenen Königin in ihrem feuchten Loch unter Westminster Abbey. Wir werden hier im Norden von England einen neuen Palast schaffen, der es mit Windsor oder Greenwich aufnehmen kann.
Der Wohlstand am Hof wird auch unseren Freunden, Nachbarn und Verwandten im Norden zugutekommen. Wir machen aus dem Norden ein goldenes Königreich, groß genug, um es mit der Stadt London aufnehmen zu können. Hier soll das Herz des Landes schlagen, wo der König und die Königin – durch Geburt und Veranlagung Menschen des Nordens – inmitten der grünen Hügel leben.
Ich reise mit meinem Sohn Edward, seiner Cousine Margaret und seinem Cousin Teddy nach Middleham, und wir sind fröhlich, als ritten wir zum Vergnügen aus. Den Rest des Sommers werde ich bei ihnen bleiben, Königin von England, die frei über ihre Zeit verfügen kann. Im Winter kehren wir zurück nach London, wo die Kinder bei mir in Greenwich leben. Edward braucht weitere Lehrer und mehr Reitstunden; er muss kräftiger werden, denn er ist immer noch ein schmächtiger Junge. Er muss darauf vorbereitet werden, die Rolle des Königs zu übernehmen, wenn es so weit ist. In ein paar Jahren wird er in Ludlow leben, und sein Rat wird
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