Dornenschwestern (German Edition)
wird an mir kleben wie Pech. Bete für mich und für unsere Sache – Richard.
Ohne ein Wort zu verlieren, gehe ich in die Kapelle und knie nieder, den Blick zu dem Kruzifix über dem Lettner erhoben. Reglos halte ich den Blick darauf gerichtet, als könnte ich so die Erinnerung an den Brief vertreiben, in dem steht, dass die Menschen, die wir als Freunde betrachtet und denen wir vertraut haben – der gutaussehende und charmante Duke of Buckingham, der Sieger Lord Thomas Stanley, seine freundliche Gemahlin Margaret, die in London in der königlichen Kleiderkammer zusammen mit mir mein Krönungskleid aussuchte –, ihr Spiel mit uns treiben. Auch Bischof Morton, dem ich seit Jahren zugetan bin und den ich bewundere. Doch ein Satz steht mir weiter vor Augen und dröhnt mir in den Ohren, während ich ein Ave Maria murmele; unablässig wiederhole ich ihn, wie um den Klang der wenigen Worte zu übertönen:
Buckingham erzählt allen, die Prinzen seien durch meine Hand gestorben
.
Als ich mich erhebe, ist es dunkel, es ist Herbst, und mir ist kalt. Der Priester bringt die Kerzen herein, und der Haushalt folgt ihm zum Komplet. Ich neige den Kopf, als er vorbeigeht, und taumle kurz darauf hinaus in die kalte Abendluft. Als eine weiße Eule aufschreit und dicht über meinen Kopf hinwegfliegt, ducke ich mich, als streife mich ein Geist, eine Warnung der Hexe, die ihre Truppen gegen uns zusammenzieht.
Ich dachte, wenn die Prinzen tot wären, gäbe es keine anderen Thronanwärter mehr, und mein Gemahl wäre auf dem Thron sicher, und wenn Gott uns einst fortrufen würde, nähme mein Sohn seinen Platz ein. Jetzt begreife ich, dass jeder Mann ein Königsmacher ist. Kaum ist der Thron leer, da wird schon jemand anderem eine neue Krone angepasst. Frische Prinzen schießen wie Unkraut aus dem Boden, sobald das Gerücht umgeht, dass die bisherigen Träger der Krone nicht mehr sind.
Und prompt taucht aus dem Nichts ein neuer junger Mann auf und bezeichnet sich als Thronerben. Henry Tudor, der Sohn von Margaret Beaufort aus dem Hause Lancaster und Edmund Tudor aus dem Hause Tudor, müsste schon längst in Vergessenheit geraten sein, so lange hat er keinen Fuß in unser Land mehr gesetzt. Seine Mutter schaffte ihn eilig ins Ausland, um ihn vor dem Basiliskenblick des Hauses York in Sicherheit zu bringen. Als Edward auf dem Thron saß, war der Junge weit abgeschlagen auf der Liste der Thronanwärter. Trotzdem hätte Edward ihn in den Tower eingeschlossen und still und heimlich für sein Ableben gesorgt. Deswegen hat Margaret Beaufort ihn weit fortgebracht und mit großer Umsicht um seine Rückkehr gefeilscht. Ich hatte sogar Mitleid mit ihr, weil sie ihren Sohn so sehr vermisste. Und sie hatte Mitgefühl mit mir, als George seinen Sohn wegschicken wollte. Ich dachte, wir würden uns verstehen, wir wären Freundinnen. Doch sie hat die ganze Zeit gewartet und überlegt, wann ihr Sohn zurückkehren könnte, ein Feind für jeden König von England, ob dieser König nun Edward oder Richard heißt.
Henry Tudor erhebt also im Namen des Hauses Lancaster Anspruch auf den Thron, und seine Mutter wirft ihre vorgetäuschte devote Zuneigung über Bord und wird zur Kriegstreiberin. Sie wird allen erzählen, die Prinzen seien tot und mein Gemahl ein Mörder. Sie wird behaupten, der nächste Erbe sei ihr Sohn, und verlangen, den Tyrannen und Königsmörder zu stürzen.
Ich gehe die Stufen zum Nordturm hinauf, wo ich so oft mit Richard war, wo wir uns im Abendlicht am Ende eines Tages darüber unterhalten haben, wie viel Freude uns die Kinder bereiten und wie das Land, der Norden regiert werden soll. Jetzt ist es dunkel und kalt, und am fernen Horizont geht silbern der Mond auf.
Ich glaube nicht, dass mein Gemahl den Befehl gegeben hat, seine Neffen zu ermorden. Er saß doch sicher auf dem Thron und hatte sie zu Bastarden erklärt. Auf unserer Reise durch das Land hat niemand sie je erwähnt. Niemand interessierte sich mehr für sie, und wir wurden als Herrscher anerkannt. Ich allein habe mit dem Kommandanten des Towers, ihrem Kerkermeister, gesprochen, der wusste, dass auch ich über ihren Tod nachdachte, obwohl ich ihn mir nicht wünschte.
Hat einer unserer treuen Freunde sich zu so einer fürchterlichen Tat herabgelassen und einen zehnjährigen Jungen und seinen zwölfjährigen Bruder getötet, während sie in unserer Obhut waren? Während sie schliefen? Und schlimmer noch: Hat jemand es getan, um uns einen Gefallen zu tun? Hat jemand es getan,
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