Dornenschwestern (German Edition)
Wales regieren.
Während wir die Straße nach Norden Richtung Middleham nehmen, verlässt Richard uns und macht sich auf den Weg nach Süden, mit einem kleinen Wachtrupp, darunter unser langjähriger Freund Sir James Tyrrell, dem inzwischen die Oberaufsicht über die Pagen übertragen wurde, Francis Lovell, Robert Brackenbury und andere. Richard küsst die Kinder und segnet sie. Er nimmt mich in die Arme und flüstert, ich solle zu ihm kommen, sobald das Wetter umschlägt. Mein Herz ist voller Liebe. Endlich haben wir gesiegt, endlich können wir uns glücklich schätzen. Er hat mich zur Königin von England gemacht, wie es mir von Geburt an bestimmt war, und ich habe ihm einen Prinzen und Erben geschenkt. Zusammen haben wir den Traum meines Vaters erfüllt.
Unterwegs in Richtung Süden schreibt Richard mir hastig einen Brief.
Anne,
die Rivers haben sich wie eine Schlange erhoben und sind gefährlicher denn je. Sie haben den Tower angegriffen, um die Jungen zu befreien, und wurden in einem verzweifelten Kampf mit knapper Not geschlagen. Wir können niemanden verhaften, denn sie haben sich in Luft aufgelöst. Anne, ich sage Dir, ich habe sie so gut bewachen lassen, dass ich dachte, es könnte niemand in ihre düstere Zuflucht eindringen, doch irgendwie ist es ihr gelungen, eine kleine Armee gegen uns aufzubieten. Ihre Soldaten ohne Uniform und ohne Abzeichen tauchten auf und verschwanden wie Geister, und niemand kann mir sagen, wo sie sind. Jemand hat Truppen angeheuert und bezahlt, doch wer?
Gott sei Dank sind die Jungen noch in unserer Gewalt. Ich habe sie in die inneren Gemächer im Tower gebracht. Doch ich bin schockiert, wie viel Macht sie im Verborgenen besitzt. Sie wird warten, bis die Zeit gekommen ist, und dann wieder zuschlagen. Wie viele trommelt sie zusammen? Wie viele, die bei unserer Krönung gejubelt haben, haben ihr Männer und Waffen geschickt? Ich bin verraten worden, und ich weiß nicht mehr, wem ich vertrauen kann. Verbrenne den Brief.
«Was ist, gnädige Tante?» Die kleine Margaret ist zu mir getreten, die dunkelblauen Augen auf mein entsetztes Gesicht gerichtet. Ich nehme sie in die Arme und spüre ihre weiche Wärme, als sie sich an mich schmiegt. «Doch keine schlechten Neuigkeiten?», fragt sie. «Nicht der König, mein Onkel?»
«Er hat Sorgen», erwidere ich. Die böse Frau, die sich im Dunkeln versteckt, hat dieses kleine Mädchen zur Waisen gemacht. «Er hat Feinde. Doch er ist stark und tapfer, und er hat gute Freunde, die ihm gegen die böse Königin und ihre sogenannten Söhne, die Bastarde, helfen werden.»
Middleham Castle, Yorkshire
Oktober 1483
I ch bin so voller Zuversicht, als ich mit Margaret spreche, doch ich täusche mich. Mein Gemahl hat nicht so viele Freunde, wie ich dachte.
Ein paar Tage später erreicht mich eine eilig niedergeschriebene Nachricht.
Wie kann man nur so verlogen, so ein hinterlistiger Wendehals sein wie der Duke of Buckingham, das untreueste Geschöpf auf Gottes Erden?
Ich lasse das Blatt sinken, weil ich es kaum über mich bringe weiterzulesen.
Er hat sich mit zwei bösen Frauen zusammengetan, eine schlimmer als die andere.
Elizabeth Woodville hat ihn auf ihre Seite gezogen und einen Hexenbund mit Margaret Beaufort geschlossen, die bei unserer Krönung Deine Schleppe getragen hat, die immer so gut und liebevoll zu Dir war. Die Gemahlin meines Freundes, Lord Thomas Stanley, dem ich vertraut und den ich zum Lord Chamberlain gemacht habe.
Nichts als Falschheit und Heuchelei.
Margaret hat ihren Sohn, Henry Tudor, mit Elizabeth, dem Rivers-Mädchen, verlobt – und jetzt erheben sie sich gemeinsam gegen uns, lassen ihre angeheiratete Verwandtschaft aufmarschieren und fordern Henry Tudor auf, sich von der Bretagne aus auf den Weg zu machen. Henry Stafford, Duke of Buckingham, dem ich mein Leben anvertraut hätte, hat die Seiten gewechselt. Er mobilisiert seine Truppen in Wales und wird bald in England einmarschieren. Ich breche augenblicklich nach Leicester auf.
Und noch schlimmer: Buckingham erzählt allen, die Prinzen seien durch meine Hand gestorben. Die Rivers werden kämpfen, um Tudor und Prinzessin Elizabeth auf den Thron zu bringen. Dies bedeutet, dass das Land – und die Geschichte – mich einen Mörder nennt, einen Kindermörder, einen Tyrannen, der sich gegen den Sohn seines Bruders wendet und seinem eigen Fleisch und Blut das Leben entreißt. Die Verleumdung meines Namens und meiner Ehre ist mir unerträglich. Die üble Nachrede
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