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Dornenschwestern (German Edition)

Dornenschwestern (German Edition)

Titel: Dornenschwestern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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konnte. Sie gehört genauso zu meinem Leben wie die Mauern der Burg von Calais. Ich kam immer an zweiter Stelle, nach ihr, der Schönheit der Familie. Stets bildete ich die Nachhut. Meine Schwester ist so ehrgeizig, entschlossen und verkündet lautstark ihre Meinung. Jetzt bin ich plötzlich allein. Lange liege ich wach und starre in die Dunkelheit und denke über mein zukünftiges Leben nach. Keine ältere Schwester wird mir jetzt sagen, was ich tun soll. Am Morgen wird alles anders sein.

Burg von Calais

12 . Juli 1469
    A m Morgen ist die Welt so verwandelt, wie ich mir in meiner einsamen Nacht zuvor nicht hätte erträumen können. Schon im Morgengrauen ist der ganze Palast hellwach. Wagenräder rumpeln vom Küchenhof zum Kai, Rufe erschallen aus der Waffenkammer, und im Hafenbecken herrscht geschäftige Betriebsamkeit – alles Anzeichen dafür, dass Vater keine Hochzeit feiern will, sondern Vorbereitungen trifft, um in See zu stechen.
    «Sind es Piraten?», frage ich meinen Lehrer und fasse seine Hand, als er mit einem Schreibpult an mir vorbei zu den Gemächern meines Vaters eilt. «Bitte, Sir, ist es ein Piratenüberfall?»
    «Nein», sagt er mit blassem, ängstlichem Gesicht. «Schlimmer. Geht zu Eurer Mutter, Lady Anne. Ich kann jetzt nicht reden. Ich muss zu Eurem Vater, um seine Befehle niederzuschreiben.»
    Schlimmer als Piraten, das kann nur bedeuten, dass die Franzosen jeden Augenblick angreifen werden. Dann haben wir Krieg, und der halbe englische Hof befindet sich in einer belagerten Burg. So etwas ist noch nie geschehen. Ich laufe zu den Gemächern meiner Mutter, doch dort ist alles unnatürlich ruhig. Mutter sitzt bei Isabel. Isabel trägt ihr neues Kleid, doch die beiden plaudern nicht aufgeregt über Brautfreuden.
    Isabel sieht zornig drein, die Hofdamen, die in einem Kreis sitzen und Hemden nähen, schweigen in fiebriger Erwartung. Ich knickse tief vor meiner Mutter.
    «Bitte, werte Mutter», sage ich, «was ist los?»
    «Du kannst es ihr sagen», bemerkt meine Mutter kühl zu Isabel, und ich husche zu meiner Schwester und ziehe mir einen Schemel neben ihren Stuhl.
    «Geht es dir gut?», murmele ich.
    «Ja», antwortet sie. «Es war nicht allzu schlimm.»
    «Hat es weh getan?»
    Sie nickt. «Es war abscheulich. Und widerwärtig. Zuerst abscheulich, dann widerwärtig.»
    «Was ist passiert?»
    «Vater zieht gegen den König in den Krieg.»
    «Nein!» Ich spreche zu laut, und augenblicklich trifft mich der scharfe Blick meiner Mutter. Mit vor Schreck aufgerissenen Augen schlage ich mir die Hand vor den Mund. «Isabel … nein!»
    «Es war geplant», flüstert sie grimmig. «Die ganze Zeit geplant, und ich war Teil davon. Er hat gesagt, er habe einen großen Plan. Ich dachte, damit meinte er meine Hochzeit. Ich wusste nicht, dass es das war.»
    Ich verdrehe die Augen und blicke in das versteinerte Gesicht meiner Mutter, die mich wütend anstarrt, als würde meine Schwester jeden Tag der Woche mit einem verräterischen Mitglied der Königsfamilie verheiratet und es sei unfein von mir, überhaupt überrascht zu sein.
    «Hat unsere werte Mutter es gewusst?», flüstere ich. «Wann hat sie es erfahren?»
    «Sie hat es die ganze Zeit gewusst», antwortet Isabel bitter. «Alle haben es gewusst. Alle, außer uns.»
    Vor Fassungslosigkeit verschlägt es mir die Sprache. Ich sehe mich unter den Hofdamen um, die Hemden für die Armen nähen, als wäre dies ein ganz gewöhnlicher Tag, als würden wir nicht gegen den König von England in den Krieg ziehen, den wir erst vor acht Jahren auf den Thron gesetzt haben.
    «Er bewaffnet die Flotte. Sie segeln sofort los.»
    Vor Schock entfährt mir ein leises Wimmern, und ich beiße mir in die Hand, um mich zum Schweigen zu bringen.
    «Komm, hier können wir nicht reden», sagt Isabel, springt auf und knickst kurz vor unserer Mutter, bevor sie mich in ein Vorzimmer zieht, wo wir die steinerne Wendeltreppe hinauf auf das bleibeschlagene Dach der Burg steigen. Von hier können wir hinunterschauen auf das hektische Treiben am Kai. Die Schiffe werden mit Waffen beladen, und Männer in Rüstungen bringen ihre Pferde an Bord. Ich kann Midnight sehen, das große schwarze Pferd meines Vaters, mit einer Haube über dem Kopf, damit er über das Laufbrett geht. Vor Angst macht er einen großen Satz, als seine eisenbeschlagenen Hufe das Holz berühren. Wenn Midnight ängstlich ist, dann droht Gefahr.
    «Er sticht tatsächlich in See», bemerke ich ungläubig, «und segelt nach

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