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Dornenschwestern (German Edition)

Dornenschwestern (German Edition)

Titel: Dornenschwestern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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schlafen, sanft geschaukelt vom Auf und Ab der Wellen, während ich auf das Knarren der Balken lausche und die salzige Seeluft rieche. Ich begreife, dass ich frei bin: Meine Zeit im Dienst der Königin ist vorbei, für immer. Ich werde Elizabeth Woodville nie wiedersehen. Sie wird mir niemals verzeihen, nie wieder meinen Namen hören; doch ich muss auch nie wieder ihre schweigende Geringschätzung erdulden.
    «Der Wind frischt auf», bemerkt Izzy, als wir vor dem Abendessen einen Spaziergang über das Hauptdeck machen.
    Ich hebe den Kopf. Die Standarte an der Mastspitze flattert wild, und die Möwen, die uns im Kielwasser des Schiffes gefolgt sind, haben den Kurs gewechselt und sind nach England zurückgeflogen. Die kleinen Perlenwolken am Horizont haben sich zusammengeballt und sind jetzt grau und dick wie Federn.
    «Das ist nichts», sage ich. «Komm schon, Iz, wir gehen in die Kabine. Wir hatten noch nie die beste Kabine.»
    Wir gehen zu der Tür, die sich zum Hauptdeck öffnet, doch als meine Schwester die Hand an den Messingriegel legt, neigt sich das Schiff, und sie taumelt und fällt gegen die Tür, die plötzlich nachgibt, sodass sie in die Kabine stürzt. Sie kracht gegen das Bett, und ich krabbele hinter ihr her und kriege sie zu packen. «Geht es dir gut?»
    Eine weitere mächtige Welle lässt uns auf die andere Seite des kleinen Raums torkeln, und Izzy fällt auf mich und schmeißt mich gegen die Wand.
    «Geh zum Bett», sage ich.
    Der Fußboden hebt sich wieder, wir kämpfen uns zum Bett, und Isabel packt den hohen Rand. Ich klammere mich an sie. Ich will lachen über die plötzliche Dünung, die uns wie Narren herumstolpern lässt.
    Doch Iz weint: «Es ist ein Sturm, ein Sturm, wie ich gesagt habe!» In der plötzlichen Düsternis der Kabine hat sie die Augen weit aufgerissen.
    «Das kann nicht sein, das sind nur ein paar große Wellen.» Ich schaue zum Fenster. Die hellen, am Horizont schwebenden Wolken haben sich verdunkelt und liegen in schwarzen und gelben Streifen über der Sonne, die rot und dunkel wird, obwohl es erst Nachmittag ist.
    «Es bewölkt sich nur», sage ich möglichst munter, auch wenn ich noch nie im Leben einen solchen Himmel gesehen habe. «Möchtest du ins Bett, um dich auszuruhen?»
    Ich helfe ihr in das schaukelnde Bett, doch plötzlich saust das Schiff in ein Wellental, und der dröhnende Aufschlag wirft mich auf die Knie.
    «Komm auch rein», beharrt Izzy. «Komm zu mir. Es wird kalt, mir ist so kalt.»
    Ich ziehe die Schuhe aus, doch dann zögere ich. Ich warte, und mir ist, als würde alles auf etwas warten. Plötzlich wird es still, als machte die Welt unvermutet eine Pause, als verharrte der Himmel stumm. Auf dem Schiff verhallt aller Lärm, es liegt auf dem öligen Meer, und der Wind, der uns heimwärts getrieben hat, stetig nach Osten, seufzt, als wäre er erschöpft, und erstirbt. In der Stille hören wir die Segel flattern, und dann erschlaffen sie. Eine unheilvolle, schreckliche Stille breitet sich aus.
    Ich schaue aus dem Fenster. Das Meer ist ruhig, so ruhig wie eine Marsch im Landesinnern, als suhlte sich das Schiff im Schlick. Es rührt sich kein Atemhauch. Die Wolken drücken gegen die Masten, drücken auf das Meer. Nichts bewegt sich, die Möwen sind fort; ein Matrose, der auf der Quersaling des Hauptmasts sitzt, sagt: «Gütiger Jesus, rette uns», und klettert an den Seilen herunter auf Deck. Seine Stimme hallt seltsam, als wären wir alle unter einer Glasschüssel eingeschlossen.
    «Gütiger Jesus, rette uns», wiederhole ich.
    «Holt die Segel ein!» Der Ruf des Kapitäns durchbricht die Stille. «Reffen!» Schon hören wir die nackten Füße der Matrosen über das Deck donnern. Das dunkelblaue Meer ist spiegelglatt, reflektiert den Himmel, verfärbt sich schwarz und gerät in Bewegung.
    «Sie holt Luft», sagt Izzy. Dunkel liegen ihre Augen in ihrem blassen, gehetzten Gesicht.
    «Was?»
    «Sie holt Luft.»
    «O nein», sage ich, um einen selbstbewussten Tonfall bemüht, doch die Reglosigkeit der Luft und Isabels Vorahnungen machen mir Angst. «Es ist nur eine Flaute.»
    «Sie holt Luft, und gleich wird sie pfeifen», sagt Izzy und wendet sich von mir ab. Sie liegt auf dem Rücken, ihr dicker Bauch rund und voll, und streckt die Hände aus, um beide Seiten des wunderschön geschnitzten Holzbetts zu packen, während sie die Füße gegen das untere Ende des Bettgestells stemmt, als wappnete sie sich gegen Gefahr. «Jeden Augenblick wird sie

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