Dornenschwestern (German Edition)
dir, mir zu helfen!», sage ich mit zusammengebissenen Zähnen. «Ich, Anne Neville, Tochter des Königsmachers, befehle es dir!»
«Sie muss so zurechtkommen», entgegnet er, als hätte er das Interesse verloren. Das Schiff giert, und die Türen fliegen auf. Eine gewaltige Welle schwappt die Stufen herab und überschwemmt die Herdstatt.
«Gib mir Leintücher», beharre ich. «Lumpen. Irgendetwas. Und einen Löffel, auf den sie beißen kann.»
Er stützt sich ab, langt unter den Tisch und zieht einen Korb mit gebleichten Lappen heraus.
«Wartet.» Aus einer anderen Kiste nimmt er einen Holzlöffel und aus einem Schrank eine dunkle Glasflasche. «Brandy. Den könnt Ihr ihr geben. Nehmt auch einen Schluck, hübsche Maid, Ihr könnt genauso gut fröhlich ertrinken.»
Ich nehme den Korb und wende mich den Stufen zu. Das Schiff hebt sich, und ich werde nach vorn geworfen. Schon bin ich draußen im Gewitter, vollbepackt, und schieße zu der Kabinentür, bevor die nächste Welle auf das Deck kracht.
In der Kabine beugt meine Mutter sich über Isabel, die unablässig stöhnt. Ich stürze hinein und schlage die Tür hinter mir zu. Meine Mutter richtet sich auf.
«Ist das Feuer in der Kombüse aus?» Ich nicke stumm. Das Schiff hebt sich und schaukelt, und wir taumeln. «Setz dich», sagt sie. «Das wird dauern. Es wird eine lange, schwere Nacht.»
Die ganze Nacht hindurch gilt mein einziger Gedanke dem ausgestreckten Arm der Hafenmauer von Calais und dem Schutz, den sie bietet, wenn es uns nur gelingt, dieses wilde Meer zu durchpflügen, wenn wir das hier nur überleben. An dem vertrauten Kai warten ängstlich Menschen und halten Ausschau nach uns, mit etwas Heißem zu trinken und trockenen Kleidern für uns. Sie werden uns empfangen und Isabel in unser Schlafzimmer bringen, und die Hebammen werden kommen, und sie kann sich ihren heiligen Gürtel um den Bauch binden und sich die Pilgerabzeichen ans Kleid stecken.
Dann kann sie sich in ihre abgedunkelten Gemächer zurückziehen, und ich mich mit ihr. Sie bringt ihr Kind zur Welt, mit den Hebammen an ihrer Seite. Ärzte stehen bereit, für das Kind ist alles vorbereitet: die Windeln, die Wiege, eine Amme und ein Priester, der das Kind in dem Augenblick segnet, da es das Licht der Welt erblickt, und den Raum mit Weihrauchduft erfüllt.
Ich schlafe auf dem Stuhl ein, Isabel döst, meine Mutter liegt neben ihr. Ab und zu schreit Isabel auf, und meine Mutter steht auf und tastet ihren Bauch ab, der eckig aufragt wie eine Kiste. Isabel jammert, sie ertrage die Schmerzen nicht, und meine Mutter hält ihre geballten Fäuste und erklärt ihr, es werde vorübergehen. Dann verebben die Schmerzen, und sie legt sich wimmernd nieder. Das Gewitter verzieht sich, doch in der Luft ist noch ein Grollen, über den Horizont zucken Blitze, Donner hallt vom Meer wider. Die Wolken hängen so niedrig, dass wir kein Land sehen können, obwohl wir hören, dass die Wellen an die französischen Felsen schlagen.
Die Dämmerung rückt heran, doch der Himmel wird kaum heller, die runden regelmäßigen Wellen werfen das Schiff hin und her. Die Seeleute hangeln sich an einem Seil zum Bug des Schiffes, wo ein Segel zerfetzt ist, sie holen es herunter und schmeißen es über Bord. Der Koch setzt das Feuer in der Kombüse wieder in Gang, alle bekommen ein Gläschen heißen Grog, und er schickt Würzbier für Isabel und uns alle herauf. Die drei Hofdamen meiner Mutter und meine Halbschwester Margaret bringen Isabel ein sauberes Gewand und nehmen die schmutzigen Bettlaken mit. Isabel schläft, bis der Schmerz sie weckt; inzwischen ist sie so müde, dass nur die schlimmsten, quälendsten Wehen sie wachrütteln. Sie ist wie benommen vor Erschöpfung und Schmerz. Als ich ihr die Hand auf die Stirn lege, brennt sie, das Gesicht immer noch weiß, doch auf beiden Wangen glühend rote Flecken.
«Was ist los mit ihr?», frage ich Margaret.
Sie sagt nichts, schüttelt nur den Kopf.
«Ist sie krank?», frage ich meine Mutter flüsternd.
«Das Kind steckt in ihr fest», sagt meine Mutter. «Sobald wir anlegen, muss eine Hebamme es drehen.»
Ich starre sie mit offenem Mund an. Ich begreife nicht, was sie da redet. «Ist das schlimm?», frage ich. «Ein Kind drehen? Ist das schlimm? Es klingt so.»
«Ja», antwortet sie unverblümt. «Es ist schlimm. Ich habe es schon miterlebt, und die Schmerzen sind unvorstellbar. Geh und frag deinen Vater, wie lange es noch dauert, bis wir Calais erreichen.»
Ich haste
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