Dornenschwestern (German Edition)
untergraben, ja, Gott selbst zu trotzen. Ein Mann, der die Hand auf den Altar einer Kirche legt, muss sich darauf verlassen können, dass er dort in Sicherheit ist. Gott persönlich stellt einen Übeltäter unter seinen Schutz. Wenn der König die Macht des Kirchenasyls missachtet, erhebt er sich über Gott und ist ein Ketzer, ein Gotteslästerer. Er kann sicher sein, dass Gott ihn niederstrecken wird.
«Wir wurden geschlagen», sagt mein Vater ernst. «Die Streitkräfte, die Welles aufmarschieren ließ, wurden unter Edwards Ansturm zerrieben.»
Isabels kalte Hand ergreift die meine. «Wir haben verloren?», fragt sie ungläubig.
«Wir ziehen uns nach Calais zurück und formieren uns neu», sagt Vater. «Dies ist ein Rückschlag, doch keine Niederlage. Heute Nacht ruhen wir uns aus, und morgen packen wir und marschieren los. Damit mich niemand missversteht, dies ist ein Krieg zwischen mir und dem sogenannten König Edward. Der rechtmäßige König ist George aus dem Hause York, und ich werde ihn auf den Thron von England setzen.»
«George!», rufen die Männer und recken die Fäuste in die Luft.
«Gott schütze König George!», ruft mein Vater.
«König George!», wiederholen sie. Sie würden alles schwören, was mein Vater befiehlt.
«
À
Warwick!» Mein Vater stößt seinen Schlachtruf aus, und sie brüllen wie mit einer Stimme: «
À
Warwick!»
Dartmouth, Devon
April 1470
W egen der Maultiere, die Isabels Sänfte tragen, verläuft unsere Reise in einem gemächlichen Tempo. Vaters Späher folgen unserer sich zurückziehenden Armee, und sie wissen zu berichten, dass Edward uns nicht aus seinem Königreich jagt. Vater sagt, er sei ein fauler Narr und gewiss zurück in das warme Bett der Königin nach London gekrochen. Wir reisen in bequemen Etappen nach Dartmouth, wo Vaters Schiff auf uns wartet. Isabel und ich stehen auf dem Kai, während Karren und Pferde verladen werden. Das Meer ist so ruhig, es könnte ein See sein, der Tag ist ungewöhnlich heiß für April, die weißen Möwen schießen kreischend über den Himmel. In der Luft liegt der angenehme Geruch des Kais nach scharfem Salz, trockenem Seetang der Netze und nach Teer. Fast wie ein Sommertag, an dem Vater eine Vergnügungsreise für uns plant.
Midnight ist eines der letzten Pferde, die die Laufplanke hinaufgeführt werden. Sie ziehen ihm einen Sack über den Kopf, damit er die Bohlen und das Wasser darunter nicht sieht. Doch er weiß, dass sie ihn an Bord eines Schiffes bringen. Oft hat er das Meer überquert, er ist zweimal in England eingefallen. Er ist ein Veteran, ein erfahrenes Schlachtross, aber jetzt benimmt er sich wie ein nervöses Füllen, schreckt vor der Laufplanke zurück und bäumt sich auf, und die Männer müssen sich vor seinen fliegenden Hufen in Acht nehmen. Dann legen sie ihm eine Schlinge um und ziehen ihn an Bord, ohne dass er sich wehren kann.
«Ich habe Angst», sagt Isabel. «Ich möchte nicht übers Meer fahren.»
«Izzy, das Meer ist ruhig wie ein Teich. Wir könnten praktisch nach Hause schwimmen.»
«Midnight weiß, dass etwas nicht stimmt.»
«Nein, das weiß er nicht. Er ist immer ungezogen. Und jetzt ist er sowieso an Bord in seinem Verschlag und frisst Heu. Komm, Izzy, wir dürfen das Schiff nicht aufhalten.»
Doch sie bewegt sich nicht. Als die Hofdamen und Mutter an Bord gehen, zieht sie mich zur Seite. Unter lautstarken Befehlen und Rufen werden die Segel gehisst. Die Türen der königlichen Kabine stehen für uns offen. George geht an uns vorbei, Izzys Ängste ignorierend, Vater erteilt jemandem am Kai letzte Anweisungen, und die Seeleute lösen die Seile von den großen Eisenringen am Kai.
«Ich bin zu kurz vor der Geburt, um eine Seereise zu unternehmen.»
«Es wird alles gut», sage ich. «Du kannst dich auf dem Schiff in die Koje legen wie zu Hause in deinem Bett.»
Sie zögert immer noch. «Was ist, wenn sie einen Wind herbeigepfiffen hat?»
«Was?»
«Die Königin oder ihre Mutter, die Hexe. Hexen können Wind herbeipfeifen, oder? Was ist, wenn sie einen Wind herbeigepfiffen hat, der da draußen auf uns wartet?»
«So etwas kann sie nicht, Iz. Sie ist nur eine gewöhnliche Frau.»
«Du weißt, dass sie so etwas tut. Den Tod ihres Vaters und ihres Bruders wird sie uns nie vergeben. Ihre Mutter hat es gesagt.»
«Natürlich waren sie zornig auf uns, doch sie kann so etwas nicht, sie ist keine Hexe.»
Plötzlich steht Vater neben uns. «Geht an Bord.»
«Izzy hat Angst», erkläre ich
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