Dornenschwestern (German Edition)
zurückfallen – uns in Wales anzugreifen wird er nicht wagen. Sobald wir über den Fluss sind, sind wir in Sicherheit.» Sie stößt ein kleines aufgeregtes Lachen aus. «Dann ist der Sieg halb errungen. Jasper Tudor wird Männer für mich rekrutieren, wir werden nach England vorstoßen und ihm ein Breitschwert an die Kehle legen.» Sie frohlockt, strahlt mich an. «So ist es, eine kriegerische Königin zu sein», erklärt sie mir. «Vergiss diesen Marsch nicht. Manchmal muss man um das, was einem von Rechts wegen gehört, kämpfen. Man muss bereit sein zu kämpfen, alles zu tun.»
«Ich bin so müde», sage ich.
Sie lacht. «Vergiss nicht, wie es sich anfühlt. Wenn wir siegen, musst du nie wieder marschieren. Lass die Müdigkeit, lass den Schmerz in deine Seele dringen. Schwör, dass du nie wieder für deinen Thron kämpfen wirst. Dann wirst du siegen, ein für alle Mal.»
Als wir uns von Süden der Stadt Gloucester nähern, müssen wir mit ansehen, wie uns die großen Tore der Stadt vor der Nase zugeschlagen werden. Ich erinnere mich, dass mein Vater mir erzählt hat, London habe einst die Tore vor dieser Königin verschlossen und sie gebeten, mit ihrer wilden Armee aus dem Norden weiterzuziehen.
Der Bürgermeister steht persönlich auf der Mauer des Southgate und ruft herunter, es tue ihm leid, doch er handele auf Befehl von Edward – er nennt ihn König Edward –, und dem werde er sich nicht widersetzen. Schon auf dem Marsch, während er Soldaten zusammengerufen hat und in der heißen Sonne durstig hinter uns hergejagt ist, hat Edward daran gedacht, Späher nach Gloucester vorauszuschicken, um sie an ihre Treue zu ihm zu erinnern.
Ich möchte lächeln. Mein Vater hat Edward gelehrt vorauszudenken, eine Armee auf dem Schlachtfeld zu betrachten wie ein Schachspiel. Mein Vater wird Edward auch gelehrt haben, nicht nur die eigene Flussüberquerung zu sichern, sondern auch die des Feindes zu erschweren.
Der Herzog tritt vor, um Einwände vorzubringen, doch die Kanone der Stadt blickt auf ihn herab, und der Bürgermeister wiederholt nur, er werde vom König befohlen. Die Brücke über den großen Fluss Severn ist das westliche Tor, das aus der Stadt hinausführt. Nur über sie kann man hinübergelangen, und um die Brücke zu erreichen, müssen wir in die Stadt. Der Herzog bietet Geld, Gefälligkeiten. Die Frau, die einst Königin war und es wieder sein wird, wird ihm große Dankbarkeit entgegenbringen. Doch der Bürgermeister schüttelt den Kopf. Die Stadt gebietet über die Flussüberquerung, und wenn sie uns nicht einlässt, kommen wir nicht über den Severn. Die Königin beißt sich auf die Lippen.
«Wir ziehen weiter», sagt sie, und wir brechen auf.
Ich beginne, die Schritte meines Pferds zu zählen, und beuge mich im Sattel vor, damit der Schmerz in Oberschenkeln und Gesäß nachlässt. Ich schlinge die Hände in die Pferdemähne und beiße die Zähne zusammen. Die Königin reitet unerschütterlich mit geradem Rücken vor mir her. Ich versinke in einer erschöpften Benommenheit, und als die Abenddämmerung hereinbricht und die Sterne herauskommen und die Schritte des Pferdes immer langsamer werden, höre ich sie sagen: «Tewkesbury. Wir überqueren den Fluss dort. Es gibt eine Furt.»
Das Pferd bleibt stehen, und ich recke mich aus dem Sattel und beuge mich über seinen Hals. Ich bin so müde, es ist mir gleichgültig, wo wir sind. Ich höre, dass ein Späher kommt und sich aufgeregt mit ihr, dem Duke of Somerset und dem Prinz unterhält. Er sagt, Edward marschiert wie der Teufel, schneller, als ein Sterblicher hätte marschieren können. Er ist uns dicht auf den Fersen.
Ich hebe den Kopf.
«Wie kann er so schnell marschiert sein?» Niemand antwortet mir.
Wir können keine Rast einlegen, wir haben keine Zeit. Doch im Dunkeln und ohne Licht können wir den Fluss nicht überqueren, man muss im flachen Wasser vorsichtig über die Sandbänke gehen. Also werden wir ihm nicht entkommen. Er hat uns auf der falschen Seite des Flusses eingeholt, und wir müssen hier gegen ihn kämpfen, sobald der Morgen dämmert. Wir dürfen nicht vergessen, dass er seine Armee nur umzudrehen braucht, er kann sie im Dunkeln in Stellung bringen, im Nebel voranstürmen, im Schnee. Seine Gemahlin kann für ihn einen Wind herbeipfeifen und einen Nebel ausatmen, deren frostiger Hass zu Schnee wird. Wir müssen uns jetzt in Schlachtformation aufstellen und uns vorbereiten auf die Schlacht in der Morgendämmerung. Egal wie
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