Dornenschwestern (German Edition)
Kapitulation gab.
«Wir machen einen Bogen», sagt Richard und blickt mich an.
Er erteilt seiner Wache Befehle, und sie öffnen uns ein Tor, sodass wir die Straße verlassen und das Schlachtfeld umgehen können. Wir reiten durch Wiesen und über abgeerntete Haferfelder und stoßen am nördlichen Rand der kleinen Stadt wieder auf die Great North Road. Bei jedem Schritt meines Pferds zucke ich zusammen; es könnte ja auf Knochen treten, und ich fühle mich wie eine Verräterin, weil ich an der Seite meines Gemahls reite, des Feindes, der meinen Vater getötet hat.
«Es gibt hier eine kleine Kapelle», sagt Richard. «Die Schlacht ist nicht vergessen. Er ist nicht vergessen. Edward und ich bezahlen dafür, dass Messen für seine Seele gelesen werden.»
«Wirklich?», sage ich. «Das wusste ich nicht.» Ich bringe kaum einen Ton heraus, so sehr plagen mich Schuldgefühle, dass ich in das Haus eingeheiratet habe, das mein Vater seinen Feind nannte.
«Ich habe ihn auch geliebt, weißt du», sagt Richard leise. «Er hat mich großgezogen, wie alle seine Mündel, als wären wir mehr für ihn als nur Jungen, für deren Erziehung er Geld bekam. Er war ein guter Vormund. Edward und ich haben ihn als unseren Anführer betrachtet, als unseren älteren Bruder. Ohne ihn wären wir nicht weit gekommen.»
Ich nicke und erzähle ihm nicht, dass mein Vater sich nur wegen der Königin gegen Edward gewandt hat, wegen ihrer habgierigen Familie und ihrer niederträchtigen Ratgeber. Wenn Edward sie nicht geheiratet hätte … wenn Edward ihr niemals begegnet wäre … wenn Edward nicht von ihr und ihrer Mutter und ihrer gefährlichen Mischung aus Sinnlichkeit und magischen Sprüchen verzaubert worden wäre … Doch wenn ich darüber weiter nachdenken würde, würde ich mein ganzes Leben lang Bedauern empfinden.
«Er hat dich auch geliebt», ist alles, was ich sage, «und Edward.»
Richard schüttelt den Kopf, denn er weiß, genau wie ich, bei wem die Schuld liegt: bei Edwards Gemahlin.
«Eine Tragödie», erwidert er.
Ich nicke, und wir reiten schweigend weiter nach Fotheringhay.
Fotheringhay Castle, Northamptonshire
Herbst 1472
D ie Burg, Richards Geburtsort und der Stammsitz seiner Familie, ist seit den Kriegen dem Verfall anheimgegeben. Die Yorks wendeten nur noch Geld für die Befestigung der Burgen auf, die ihnen als Stützpunkt der Aufstände gegen den schlafenden König und die böse Königin dienten. Beim Anblick der äußeren Burgmauer, die sich gefährlich über den Graben neigt, runzelt Richard die Stirn, bevor er das Dach in Augenschein nimmt, wo die Saatkrähen ihre Nester bauen.
Die Herzogin heißt mich voller Wärme willkommen, auch wenn ich die dritte heimliche Braut in ihrer Familie bin.
«Ich habe mir immer gewünscht, dass Richard dich heiratet», versichert sie mir. «Sicher habe ich ein Dutzend Mal mit deiner Mutter darüber gesprochen. Deswegen war ich ja so erfreut, als Richard als Mündel zu deinem Vater kam; ich wollte, dass ihr euch kennenlernt. Ich hatte immer gehofft, du würdest einmal meine Schwiegertochter werden.»
Sie empfängt uns in der kleineren Halle der Burg, einem holzgetäfelten Raum, in dem an jedem Ende ein großes Feuer brennt und drei große Tische zum Abendessen eingedeckt sind: einer für die Diener, einer für die Dienerinnen und einer für die Herrschaft. Die Herzogin, Richard und ich und ein paar weibliche Verwandte nehmen am hohen Tisch Platz und lassen den Blick durch die Halle schweifen. «Wir leben hier sehr einfach», sagt sie, obwohl sie Hunderte von Dienern hat und Dutzende Gäste beherbergt. «Wir versuchen nicht, mit dem Hof in London zu konkurrieren», fährt sie finster fort. «Diese burgundischen Moden. Und all die Extravaganzen.»
«Mein Bruder, der König, schickt dir seine Segenswünsche», sagt Richard förmlich. Er kniet vor seiner Mutter nieder, und sie legt ihm segnend die Hand auf den Kopf.
«Und wie geht es George?», fragt sie plötzlich, indem sie ihren Liebling beim Namen nennt. Richard zwinkert mir zu. In der Familie hat man sich offen darüber lustig gemacht, dass die Herzogin George so unverhohlen bevorzugte – bis zu dem Augenblick, da sie meinte, Georges Thronanspruch unterstützen zu müssen. Das ging selbst dem König zu weit, der eine nachsichtige Zuneigung für sie empfand.
«Es geht ihm gut, auch wenn wir uns immer noch nicht über das Erbe unserer Gemahlinnen geeinigt haben», antwortet Richard.
«Eine unschöne Sache.» Sie schüttelt
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