Dornenschwestern (German Edition)
den Kopf. «Ein ansehnlicher Grundbesitz sollte niemals geteilt werden. Du solltest dich mit ihm einigen, Richard, und ihm als jüngerer Bruder den Vortritt lassen.»
Dass sie ihm schon wieder den Vorzug gibt, ärgert Richard. «Ich werde mich auf meinen eigenen Ratgeber verlassen», entgegnet er steif. «George und ich werden über das Warwick-Vermögen eine Übereinkunft treffen. Ich wäre Anne ein schlechter Gemahl, wenn ich ihr Erbe in den Wind schießen würde.»
«Besser ein schlechter Gemahl als ein schlechter Bruder», belehrt sie ihn. «Sieh dir deinen Bruder Edward an. Er ist nur der Handlanger und betrügt seine Familie.»
«Edward war mir in dieser Angelegenheit ein guter Freund», erinnert Richard sie. «Und er hat mich als Bruder immer unterstützt.»
«Ich fürchte nicht sein, sondern ihr Urteil», erwidert sie mit finsterer Miene. «Warte nur, bis deine Interessen einmal den ihren zuwiderlaufen, dann wirst du sehen, auf wessen Rat Edward hört. Sie wird noch sein Niedergang sein.»
«Ich bete, dass dem nicht so ist», sagt Richard. «Sollen wir zum Essen gehen, werte Mutter?»
Während unseres Besuchs spricht sie ständig darüber, dass Elizabeth Woodville durch ihre Intrigen die Familie zerstört, und obwohl Richard sie häufig und so höflich wie möglich zum Schweigen bringt, fällt es schwer, die vielen Gründe zu ignorieren, die sie vorbringt. Es ist für jeden offensichtlich, dass die Königin ihren Willen bekommt und Edward ihr erlaubt, ihre Freunde und Familien auf Posten zu setzen, die einst anderen gehörten. Sie beutet ihre königlichen Lehnsgüter mehr aus als jede andere Königin vor ihr und bevorzugt ihre Brüder und Schwestern. Richard will nicht, dass seine Mutter schlecht über seinen Bruder, den König, spricht, doch auf Fotheringhay liebt niemand Elizabeth Woodville, und die strahlende junge Frau, die ich zum ersten Mal am großen Abend ihres Triumphes gesehen habe, verliert angesichts der Herzogin, die sie als habgierige Ränkeschmiedin darstellt, ihren Glanz.
«Sie hätte niemals zur Königin gekrönt werden dürfen», flüstert sie mir eines Tages zu, als wir in ihrem privaten Wohngemach sitzen und die Ärmelaufschläge eines Hemds, das die Herzogin ihrem Liebling George zu Weihnachten schicken will, sorgsam mit Stickereien verzieren.
«Nicht?», frage ich. «Ich erinnere mich sehr gut an ihre Krönung. Da war ich noch ein kleines Mädchen, und sie war für mich die schönste Frau, die ich je im Leben gesehen hatte.»
Die Herzogin zuckt verächtlich die Achseln. «Sie hätte niemals zur Königin gekrönt werden dürfen, denn die Hochzeit war nie rechtsgültig», flüstert sie hinter vorgehaltener Hand. «Wir alle wussten, dass Edward heimlich geheiratet hatte, bevor wir sie überhaupt kennenlernten. Dazu hatte er kein Recht. Wir haben nichts gesagt, solange dein Vater die Heirat mit Prinzessin Bona von Savoyen plante, weil solch eine heimliche Heirat annulliert werden konnte. Doch mit dem Eid, den Edward und Elizabeth ablegten, sind sie nicht die erste heimliche Ehe eingegangen, es war in Wirklichkeit eine bigamistische Heirat – und hätte für ungültig erklärt werden müssen.»
«Ihre Mutter war Zeugin …»
«Für ihre Kinder hätte diese Hexe doch auf alles geschworen.»
«Aber Edward hat sie zur Königin gemacht», widerspreche ich ihr. «Und der König ist der Vater ihrer Kinder.»
Sie schüttelt den Kopf und beißt mit ihren scharfen kleinen Zähnen einen Faden ab. «Edward hat kein Recht auf den Thron.» Sie spricht sehr leise.
Ich lasse meine Handarbeit sinken. «Euer Gnaden …» Ich habe Angst vor dem, was sie als Nächstes sagt. Wärmt sie den alten Skandal wieder auf, den mein Vater in Umlauf gebracht hat, als er Edward vom Thron vertreiben wollte? Will die Herzogin sich selbst etwa des Ehebruchs bezichtigen? Und in was für Schwierigkeiten kann ich geraten, wenn ich dieses unfassbare, schreckliche Staatsgeheimnis erfahre?
Als sie mein entsetztes Gesicht sieht, bricht sie in schallendes Gelächter aus. «Oh, was bist du doch naiv! Wer würde dir schon etwas anvertrauen? Sag mir noch einmal, wie alt bist du?»
«Ich bin sechzehn», sage ich möglichst würdevoll.
«Du benimmst dich wie ein Kind», höhnt sie. «Mehr sage ich nicht. Aber merk dir, dass George nicht mein Liebling ist, weil ich eine senile Närrin bin. Ich habe dafür gute Gründe, sehr gute Gründe. Er wurde geboren, um König zu sein, der Junge. Er und kein anderer.»
Windsor
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