Dornentöchter
sie weder in einem durchsichtigen Négligé noch in einem Flintstones-Pyjama schlief.
Sie beschloss, nicht mit ihrer Tochter zu schimpfen. Betty musste wirklich Panik bekommen haben, weil ihre Mutter nun schon zum zweiten Mal einen Geist sah. Es war schlimm genug gewesen, als Marguerite gestorben war. Damals hatten sowohl Betty als auch Jack geglaubt, sie hätte den Verstand verloren. Sie hasste die Vorstellung, dass sie ihrer Tochter schon wieder Angst eingejagt hatte, und war heilfroh, dass Jack bereits nach Sydney zurückgekehrt war. Trotz seines jüngsten Sinneswandels, was übernatürliche Erscheinungen betraf, hätte er vielleicht trotzdem beschlossen, Betty mitzunehmen, wenn er weitere Unterhaltungen über dieses Thema mitbekommen hätte.
Der Kookaburra-Lachvogel mit dem Stethoskop fiel ihr wieder ein. »Du hast nicht zufällig auch einen Arzt gerufen, oder?«, fragte sie.
Betty nickte glücklich, so stolz war sie auf ihre Tüchtigkeit. »Doch, irgendein alter Kerl vom Krankenhaus. Ein kleiner, grauhaariger. Er hat dich untersucht, konnte aber nichts Auffallendes feststellen. Er meinte, vermutlich ein Magen-Darm-Infekt oder eine Lebensmittelvergiftung. Maria ging es letzte Nacht auch schlecht, also war es wahrscheinlich euer Fisch zum Mittagessen. Zum Glück hab ich nichts davon gegessen!«, schloss sie triumphierend. »Weißt du, dass du das komplette Schlafzimmer vollgespuckt hast? Simon und ich mussten alles Bettzeug waschen.«
»Genug!« Sadie hob abwehrend die Hand und fragte sich, wie sie dafür sorgen konnte, dass sie Simon Parish nie wieder unter die Augen treten musste. Beim Gedanken an das Essen, das sie mit Maria geteilt hatte, krampfte sich ihr Magen zusammen. »Ich esse nie wieder Fisch«, schwor sie.
»Es könnten auch die Muscheln gewesen sein«, meinte Betty. »Ich weiß, dass einem von Meeresfrüchten ziemlich schlecht werden kann, aber Thomasina und ich hatten nichts. Ob Maria sich wohl auch übergeben hat? Der arme Simon, musste hinter euch beiden herputzen.«
»Betty, es reicht!«
Später am Vormittag rief Sadie bei Maria an, die sich von ihrem nächtlichen Unwohlsein rasch erholt hatte und wieder ganz die Alte war. Sadie entschuldigte sich, falls ihr Mahl die plötzliche Krankheit ausgelöst haben sollte. Maria versicherte ihr fröhlich, sie fühle sich kerngesund, und schien das Ganze eher lustig zu finden. »Gott sei Dank war Simon da. Er hat seinen Beruf verfehlt. Allister ist zu nichts zu gebrauchen, wenn es um Krankenpflege geht!« Sie war immer noch versessen darauf, vorbeizukommen und den Keller zu streichen. Also verabredeten sie sich für das kommende Wochenende. Spontan fragte Sadie sie nach Simon Parishs Telefonnummer. Die Höflichkeit gebot, sich bei ihm für seine Hilfe zu bedanken.
Sadie hatte gehofft, den Anrufbeantworter zu erwischen. Leider hob er jedoch nach dem dritten Klingeln persönlich ab.
»Ja?« Er klang kurz angebunden und müde, woraufhin Sadie sofort errötete, während sie ihr Dankeschön stammelte.
»Keine Ursache«, erwiderte er. »Ich war froh, dass ich helfen konnte. Ihre Tochter war ziemlich verängstigt.« Er klang, als hielte er sie für eine unmögliche Frau, die durch ihren hysterischen Anfall wegen eingebildeter Gespenster in unverantwortlicher Weise ihrer Tochter Angst eingejagt hatte.
Als sie auflegte, kam sie sich ziemlich dumm vor. Verdammter Kerl mit seinem schroffen Gehabe! Warum hatte Betty ausgerechnet ihn rufen müssen?
Sie beschloss, es mit etwas Arbeit zu versuchen, und ging mit ihrem Notizbuch und einem Stapel Zeitschriften der Pencubitt Historical Society nach draußen in den Garten, um ein bisschen zu recherchieren. Eine Stunde verging wie im Flug, während sie einen groben Plan für einen Artikel über bizarre historische Geschichten für ein Magazin entwarf, das regelmäßig Beiträge von ihr brachte. Sie blätterte gerade durch eine Ausgabe von 1938 und bestaunte die illustrierten Modeanzeigen, als sie auf einen Artikel über Blackness House stieß.
Blackness House – Der Fluch schlägt wieder zu!
Die Ermittler sichten immer noch den Schaden, den das Feuer in Blackness House jüngst angerichtet hat, auf der Suche nach Hinweisen auf den Auslöser des Brandes, durch den die frisch renovierte Kapelle völlig ausbrannte. Violet Bydrenbaugh, die einzige Tochter der verwitweten Mrs Diana Bydrenbaugh, erlitt schwere Verbrennungen. Sie befindet sich immer noch im Launceston General Hospital, doch es ist wahrscheinlich, dass die
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