Dornentöchter
euch ab und zu noch daran, was diese dumme Wahrsagerin behauptet hat?« Eine leichte Röte überzog ihre Wangen, während sie ihre Zigarette ausdrückte. »Ich weiß, das war alles zum Totlachen, und Mutter meinte, sie wäre ein alter Scharlatan, aber es geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Was, wenn sie recht hatte?«
»Du meine Güte, Violet! Du machst doch wohl nicht immer noch da dran rum, oder?« Unsere Köpfe wandten sich alle nach Pearl um, die im Türrahmen aufgetaucht war. Sie war barfuß und trug ein weißes Kleid. Die Haare hatte sie hochgesteckt und wirkte, wie so oft, blass und gereizt. »Ich kann nicht richtig arbeiten, wenn Angel draußen so viel Lärm macht. Sie ist schlimmer als die Kinder. Spider, geh und sag ihr, sie soll die Bälger mit an den Strand nehmen oder so.«
Maxwell verschwand, und Pearl fing an, ihre Zigaretten zu suchen. »Teddy, du bist immer noch hier? Und Tricky auch?« Sie stieß eine Rauchwolke aus. »Das ist ja wie in der Grand Central Station. Kein Wunder, dass ich nicht schreiben kann. Ich merke schon, dass ich wieder Kopfweh bekomme. Es ist diese verdammte Hitze.«
Teddy stand auf, das Gesicht rot vor Wut. Ich sah, dass seine Hose von Fischinnereien besudelt war. »Du hast mich hierher eingeladen, Pearl, und bist dann nach oben verschwunden, unhöfliches Miststück. Also, ich geh dann mal. Ich bin lieber auf meinem Boot, anstatt wie ein Schoßhund herumzusitzen und zu warten, dass du mich tätschelst. Eine Makrele hat bessere Manieren als du.« Er verließ die Küche. Wir saßen sprachlos da. Violet fiel buchstäblich die Kinnlade herunter. Ich hatte noch nie erlebt, dass ein Mann auf diese Weise mit einer Frau sprach.
Pearl fing an zu lachen. »Dieser Fischer hat vielleicht ein Temperament!«, sagte sie. »Ich sollte versuchen, die wilde Bestie zu beruhigen.« Sein Ausbruch schien ihre gute Laune wiederhergestellt zu haben, und sie summte zufrieden vor sich hin, als sie Teddy nacheilte.
Violet schien immer noch in ihre eigenen Sorgen versunken. Vermutlich regte sie sich über Jeans Prophezeiung auf und fragte sich, ob sie wohl diejenige war, die ermordet würde. Ich lächelte vor mich hin, denn insgeheim freute es mich, sie so verunsichert zu sehen. Ihre herablassende Art machte es mir schwer, Mitleid mit ihr zu haben.
Dann erhob ich mich und ging zur Hintertür hinüber. Draußen stand Maxwell auf seinen Kricketschläger gestützt und unterhielt sich mit Angel. Die Mädchen zupften ihn am Ärmel und wollten, dass er mit ihnen spielte, doch das Paar ignorierte die Kinder, so versunken waren sie in ihr Gespräch. Der allgegenwärtige Klang der Zikaden erfüllte den Sommertag. Eine große Traurigkeit mischte sich in meinen Ärger. Maxwell wusste, dass ich in der Küche saß, und trotzdem zog er es vor, so vertraut mit einem Dummkopf wie Angel zu reden. Es war, als sei der Maxwell, den ich kannte, ein Fremder geworden – auf irgendeine Art beschmutzt. War Angel eine Zigeunerin, die ihn mit einem Zauber belegt hatte? Und dann war da noch Pearl, die einem Fischer hinterherrannte, dessen Kleider nach Fischinnereien stanken. Nichts davon ergab für mich irgendeinen Sinn, und ich hatte das Gefühl, dass all das nichts Gutes verhieß. Es fühlte sich an wie ein verhängnisvolles Gebräu, das im Poet’s Cottage vor sich hin köchelte.
In diesem Moment kam Pearl zurück und legte den Arm um mich. Sie stieß einen tiefen Seufzer aus. »Spider verwechselt Sex mit Liebe«, sagte sie. »Er hätte eine Frau werden sollen. Ich fürchte, nach Weihnachten muss sie gehen, Tricky. Ich würde sie ja jetzt rauswerfen, aber ich kriege Weihnachten auf gar keinen Fall alleine hin. Wie ärgerlich, dass sich die Dinge so entwickelt haben. Neulich abends war sie richtig frech. Ich musste ihr eine runterhauen. Warum können sie nicht vernünftiger sein?« Ich glaubte, einen Hauch von Traurigkeit in ihrer Stimme zu hören.
Ich drückte meine Hand gegen ihre und roch den Duft von Zitronen auf ihrer feuchten Haut. So standen wir Hüfte an Hüfte, während unser Schweiß uns durch die Baumwollkleider hindurch miteinander verband, und wir beobachteten, wie Angel mit Maxwell flirtete.
KAPITEL 10
Der Ruf des Blutes
Pencubitt, Gegenwart
Einen Moment lang glaubte Sadie, ihr vorweihnachtlicher Einkaufsstress hätte eine äußerst lebensechte Halluzination hervorgerufen. Dort kamen nämlich ihr Exmann Jack und seine Freundin Jackie die High Street entlang auf sie zuspaziert. Beide trugen Weiß und das
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