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Dornentöchter

Dornentöchter

Titel: Dornentöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josephine Pennicott
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heimgesucht und musste nach oben eilen, um irgendeine alberne Kenny-Geschichte einzufangen. Sie redet ständig davon, wie sehr sie Kenny hasst, aber sie kann sich anscheinend nie von diesem verdammten Vogel losreißen.« Sie klopfte sich eine Zigarette aus einem goldenen Etui, woraufhin sich sowohl Teddy als auch Maxwell beeilten, ihr Feuer zu geben. »Und was machen Sie hier? Besuchen Sie Pearl oder Maxwell?« Ihre Augen funkelten vor boshafter Freude.
    »Beide. Ich bringe ein Buch zurück, das ich ausgeliehen hatte.« Ich bemühte mich, ruhig und souverän zu klingen, doch ihre offensichtliche Abneigung verletzte mich trotzdem. Was hatte ich Violet Bydrenbaugh je getan, dass sie so gehässig mit mir sprach? War es meine Schuld, dass ich nicht derselben gesellschaftlichen Klasse angehörte wie sie? Ich verabscheute Menschen wie Violet, denen von Geburt an all die Annehmlichkeiten zur Verfügung standen, nach denen ich mich sehnte: Geld, Bildung, Zugang zu Kultur und Reisen nach Übersee. Violet besaß das Selbstbewusstsein all jener, die mit einem silbernen Löffel im Mund geboren wurden, während ich mich haushoch unterlegen fühlte.
    Sie nahm mir die Ausgabe von Dumas’ Die Drei Musketiere aus der Hand. »Sieht langweilig aus«, stellte sie fest. »Ich finde alle Bücher langweilig. Geht es Ihnen nicht auch so, Mr Stephens?«
    »So ziemlich, Miss Violet«, murmelte Teddy. Er sah aus, als würde er jeden Augenblick vor ihr den Hut ziehen. »Gibt genug, was ich lieber täte, als die Nase in ein Buch zu stecken. Macht einem die Augen kaputt, sagt meine Ma immer. Bei uns zu Hause haben wir uns nie viel aus Lesen gemacht. Ich bin lieber auf dem Boot!«
    »Sehr vernünftig von Ihnen, Teddy. Gut zu wissen, dass wir noch etwas gemeinsam haben.« Sie schnaubte wieder, und ich ergötzte mich an der Vorstellung, ihr das Buch auf den Kopf zu hauen, bis ihr der Schädel barst. Sie war ein solcher Einfaltspinsel. Ich konnte nicht verstehen, weshalb Pearl die Freundschaft mit ihr pflegte.
    »Mag jemand kalte Limonade?« Maxwell ging pfeifend hinüber zum Eisschrank. »Der Eismann war gerade da. Ist echt widerlich da draußen.« Er fing an, Eis zu zerstoßen.
    »Hast du die gestrandeten Wale schon gesehen, Birdie? Hunderte von ihnen! Ich glaube, so viele gab es in Pencubitt noch nie, wenn ich mich recht erinnere. Wie viele würden Sie sagen, Teddy?«
    »Ungefähr dreihundert«, antwortete Teddy. »Das wird der Stadt Unglück bringen. Und stinken tun sie auch, wenn sie verrotten. Einer der großen ist bestimmt neunzig Fuß lang.«
    Ich hatte Teddy selten so viele Sätze am Stück sagen hören und wollte mehr über die gestrandeten Tiere erfahren, aber Violet, der nicht gefiel, dass die Aufmerksamkeit nicht länger ihr gehörte, unterbrach ihn.
    »Angel hat die Limonade gemacht«, sagte Violet. »Was für ein tüchtiges Mädchen, nicht wahr? Es scheint nichts zu geben, was sie nicht kann!« Ihr Blick wanderte zu Maxwell, und sie lächelte ihr verschlagenes Lächeln. »Ich schätze mal, sie ist es gewöhnt, sich nützlich zu machen, wo ihre Mutter doch so viele Kinder hat. Die armen Dinger schlafen sicherlich aufeinandergestapelt wie Welpen.« Über ihr schnaubendes Lachen hinweg waren die Mädchen zu hören, die draußen mit Angel spielten. Ich stellte mir vor, wie die drei wie verzauberte Elfen im sonnenlichtgesprenkelten Garten umhertanzten. Mit Hilfe einiger Männer vom Ort hatte Pearl ihren Garten in einen magischen Ort verwandelt. Es gab dort funkelnde Lichterketten, selbstgebaute Feennester und jede Menge Skulpturen aus ihren Büchern sowie unzählige Pflanzen und Blumen.
    Während ich dem Lachen seiner Töchter lauschte, beobachtete ich Maxwell und fragte mich, ob die Eifersucht, die sich wie ein Krake um meinen Brustkorb schlang, je ihre zerstörerischen Tentakeln verlieren würde. Wie leicht war ich in Ungnade gefallen, und wusste noch nicht einmal, weshalb. Vor Angel war ich die Bevorzugte gewesen. Ich hatte die jüngsten Einladungen ins Poet’s Cottage ignoriert und das Gefühl, dass Pearl kein Verlangen mehr nach unserer Freundschaft hatte. Alles hatte sich verändert. Wie schnell konnte ich jetzt von dort wohl wieder verschwinden? Wo ich nicht willkommen war, wollte ich nicht verweilen. Es widerstrebte mir, wie wir alle so dasaßen, in stumpfer Lethargie, und darauf warteten, dass die Kaiserin Pearl uns von dem Bann erlöste, mit dem sie uns belegt hatte.
    »Übrigens«, meinte Violet plötzlich. »Denkt einer von

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