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Dornröschen schlief wohl hundert Jahr

Dornröschen schlief wohl hundert Jahr

Titel: Dornröschen schlief wohl hundert Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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spätabends … sie … Ihr Vater, Niels, kam eines Sonntagmorgens herüber, leichenblass, und fragte, ob sie hier sei. Sie war nachts nicht nach Hause gekommen. Ich sagte so ruhig wie ich konnte, ich würde raufgehen und in Peters Zimmer nachsehen. Ich ging nach oben. Aber es war leer. Niemand war da, es war die ganze Nacht keiner da gewesen. Ich ging dann runter – und log. Ich sagte, Peter läge oben und schliefe, allein. Niels sagte, er würde Peter anzeigen, weil sie minderjährig sei. Ich sagte …«
    Sie war dunkelrot im Gesicht geworden, und ihr Mann unterbrach sie. »Lass uns das alles nicht wieder aufwühlen, Vera. Du wirst dann nur so …«
    Ich sagte: »Dieser Job, den Peter hatte, was war das für einer?«
    »Gar nichts!«, stieß die Mutter hervor.
    Der Vater sah sie resigniert an. »Er hat bei einer Baufirma gearbeitet. Er arbeitete auf Baustellen, wurde ausgebildet. Es war ein guter Job, er hat ihm gut getan. War viel draußen an der frischen Luft, hatte viele erwachsene Arbeitskollegen …«
    »Arbeitet er immer noch?«
    »Ja. Ab und zu. Er ist viel unterwegs gewesen im letzten halben Jahr, aber er hat den Job behalten. Ich glaube, sie wollten ihm helfen, so gut sie konnten.«
    »Wie heißt die Firma?«
    »Arve Jonassen AG. Keine große Firma, aber sie haben wohl einen guten Ruf. Gerde jetzt arbeitete er auf einer kommunalen Baustelle, einem Gymnasium irgendwo. Und dann haben sie noch Bauplätze in der Umgebung, in Sotra, Holsnøy und so weiter.«
    »Und … als er verschwand – wann war das? Und gab es eine besondere Ursache?«
    »Nein. Es war – Ende der Woche. Donnerstag oder die Nacht zum Freitag. Er – wir hatten so wenig Kontakt, und wir hatten uns daran gewöhnt, dass er viel weg war, manchmal ein, zwei Nächte hintereinander. Aber diesmal, als wir nach vier, fünf Tagen nichts hörten, haben wir in seiner Firma angerufen, und da sagte man uns, dort sei er auch nicht gewesen. Da fingen wir wirklich an, uns Sorgen zu machen.«
    »Aber – warum sind Sie nicht zur Polizei gegangen?«
    Frau Werner platzte dazwischen: »Weil wir gehört hatten, dass auch Lisa verschwunden war, und da haben wir zwei und zwei zusammengerechnet und bekamen –«
    »Fünf, wie immer«, sagte ihr Mann sarkastisch.
    »War er denn wirklich nicht mit ihr zusammen?«, fragte sie und sah mich verzweifelt an.
    »Nein«, sagte ich. »Ich habe ihn jedenfalls nicht gesehen. Aber – Eine Sache ist wichtig, wenn ich nach ihm suchen soll. Hatte er gute Freunde, ich meine wirkliche Freunde?«
    Beide sahen mich nachdenklich an, als würden sie überlegen, ob ich für den Posten gut genug war. Dann sagte die Mutter: »Es gab da einen Studenten – einen, mit dem er zusammen studiert hatte. Er war sogar hier zu Hause ein paar Mal, in der ersten Zeit.«
    Der Vater fügte hinzu: »Im ersten halben Jahr, das er an der Uni war. Ich glaube sogar, dass er den Kontakt zu ihm auch später aufrechterhalten hat, nachdem er anfing zu arbeiten. Er heißt Bjørn Hasle.«
    »Hasle?«, wiederholte ich. »Wissen Sie, wo er wohnt?«
    »Nein, aber das können Sie an der Universität herausfinden.«
    Ich nickte. »Andere?«
    Sie schüttelten unisono ihre Köpfe, wie zwei dressierte Affen. »Seine Arbeitskollegen«, sagte Werner, »aber wir kennen keinen, haben nie jemanden von ihnen getroffen. Sie müssen – da unten nachfragen.«
    »Nichts anderes, was Sie mir erzählen könnten, das von Bedeutung sein könnte?«
    »Nein.« Sie hatten sich leer geredet. Nicht einmal Frau Werner hatte mehr zu sagen. Sie saß über ihre Kaffeetasse gebeugt mit ihren großen Brüsten. Ihr Mann betrachtete mich durch seine Brillengläser wie durch eine Glaswand.
    Ich trank meinen Kaffee aus und stand auf. »Was das Honorar angeht«, begann ich.
    Werner stand auf. »Das spielt keine Rolle, Veum. Sie haben Ihre Sätze. Finden Sie Peter, und ich werde bezahlen. Aber finden Sie ihn, Veum, finden Sie ihn!« Es war eine unvermittelte Leidenschaft in seiner Stimme, und wieder fragte ich mich, wer eigentlich der Stärkere in der Familie war: er oder sie. Oder vielleicht – alles in allem – Peter?
    »Ich sollte vielleicht auch mit Ihrer Tochter sprechen. Mit Ingelin.«
    »Ist das wirklich nötig? Wir wollen sie nicht beunruhigen. Sie ist wirklich ein bisschen – sensibel.«
    »Gut. Aber wenn es nötig werden sollte …«
    Werner nickte beschwichtigend. »Wenn es notwendig werden sollte, dann … Aber nicht jetzt.«
    »Kann ich dieses Foto mitnehmen?«
    »Ja, ja.

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