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Dornröschen schlief wohl hundert Jahr

Dornröschen schlief wohl hundert Jahr

Titel: Dornröschen schlief wohl hundert Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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Und das Zimmer, das noch vor ein paar Minuten etwas Alltägliches und Zufälliges an sich gehabt hatte, war jetzt geheimnisvoll und schicksalsschwanger. Die Kleidungsstücke auf dem Boden, der verschlissene Teppich, das Bettzeug, Peter Werner selbst: Welche Geheimnisse verbarg das alles, welche Indizien konnte man hier finden?
    Bis jetzt war Peter Werner für mich ein vier Jahre altes Foto in einem Rahmen gewesen, das Foto eines Siebzehnjährigen, der gerade Abitur gemacht hatte, ein Allerweltsfoto von einem halb erwachsenen Kind mit Pickeln am Kinn.
    Die Pickel gab es noch, aber sie würden ihn nicht mehr quälen. Seine Bartstoppeln waren blond und farblos und hoben sich fast nicht von der Gesichtshaut ab. Sein Haar war etwas länger als auf dem Foto, wie sein Vater gesagt hatte, und es war strähnig und zerzaust. Seine Augen waren nach hinten verdreht, der Blick gebrochen. Sein Mund war zu einem schmerzvollen Grinsen verzerrt. Er sah nicht besonders schön aus.
    Offensichtlich war er nackt. Er hielt sich mit den Händen den Bauch, aber ich schlug die Decke nicht weiter zurück, um zu sehen, warum. So wie er jetzt dalag, konnte ich nicht erkennen, woran er gestorben war, und ich hatte auch keine besondere Lust, es herauszufinden. Aber seine nackten Arme erzählten mir, dass er seinen Körper viel zu jung mit viel zu viel Gift vollgespritzt hatte. Die blauen Flecken an den Unterarmen leuchteten mir entgegen wie Blutflecken auf weißem Schnee.
    Ich konnte nichts mehr tun. Es war mein Auftrag gewesen, Peter Werner zu suchen, und ich hatte ihn gefunden. Was jetzt zu tun war, musste ich anderen überlassen.
    Ich warf einen letzten Blick durch den Raum, bevor ich ging. Er erzählte mir gar nichts. Ich schloss die Tür vorsichtig hinter mir – als wollte ich ihn nicht wecken – und ging mit schweren Schritten die Treppe zur Rezeption hinunter.
    Der Portier war noch immer in denselben Kindercomic vertieft. Als ich die Treppe herunterkam, sah er kurz auf, aber dann tauchte sein Blick wieder ab. Ein Ausdruck milder Verwunderung breitete sich auf seinem Gesicht aus, wie die Ringe nach einem Steinwurf auf einem stillen, stehenden Waldsee. Dann sah er wieder auf und starrte mich wachsam an. Ich musste schrecklich aussehen.
    Ich stolperte zu seinem Tresen und schluckte erst einmal, bevor ich räuspernd hervorbrachte: »Er war – ein wenig … indisponiert.«
    Er sah mich an. Das Haar fiel ihm in fettigen Strähnen ins Gesicht. Der Mund hinter dem Bart öffnete und schloss sich langsam.
    Ich sagte: »Hatte er gestern Abend Besuch?«
    Er sagte: »Warum fragst du?«
    Ich lehnte mich über den Tresen, packte sein Hemd mit beiden Fäusten und versuchte, ihn vom Stuhl hochzuziehen. Aber er war zu schwer. Ich fragte noch einmal, ein wenig lauter: »Hatte er gestern Abend Besuch?«
    Mit einer schnellen Bewegung riss er den linken Unterarm herum, fegte meine Fäuste beiseite, stand auf und packte mit der rechten meinen Hals. Das Kinderheftchen fiel mit einem Klatschen auf den Tresen. Es zeigte sich, dass er fast zwei Meter groß war, und sein Griff war stark. Ich schnappte nach Luft, strampelte automatisch mit den Beinen, aber es wurden nur ein paar kleine, niedliche Hüpfer auf der Stelle.
    Er sagte: »Wenn man den Job als Portier in diesem Hotel annimmt, dann darf man kein sonderlich zimperlicher Typ sein, also spiel nicht noch mal den Coolen, Freundchen. Du kannst mich mal zu Hause besuchen und dir meinen schwarzen Gürtel ansehen.«
    »Du kannst mich mal besuchen und dir meine Rüschensammlung ansehen«, piepste ich. »Lass mich los und wir reden in Ruhe weiter. Es ist heute viel zu heiß für so was.«
    Er ließ mich los. Ich lehnte mich gegen den Tresen und sagte: »Aber sag mal – hatte er gestern Besuch?«
    Er blieb stehen. »Du gibst nicht auf, was?« Er sah furchteinflößend aus.
    »Ich meine – nur Frauen? Sonst niemand?«
    Er lächelte träumerisch, so ale hätte er sich selbst mit seinem schönen, schwarzen Gürtel vor Augen. »Weißt du was, Schnüffler? Ich hätte dir eben die Schlüsselbeine brechen können. Beide. Aus reiner Selbstverteidigung. Im letzten Herbst haben zwei Typen nachts versucht, mich auszurauben. Ich weiß nicht, ob sie sie schon wieder rausgelassen haben – aus dem Krankenhaus!«
    »Er ist tot.«
    Der Fischmund blieb offen stehen. Er sagte: »Wer von beiden?«
    »Peter Werner. Tot.«
    Er wiederholte: »Peter Werner? Tot?« Nach einer Pause stieß er hervor: »Verdammte Scheiße! Was sagst du da

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