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Dornroeschengift

Dornroeschengift

Titel: Dornroeschengift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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ich möglichst unbemerkt ins Haus, wo ich erleichtert feststellte: Niemand war in der Nähe, um mich aufzuhalten. Dachte ich zumindest. Doch als ich an Mikes Zimmer vorbeiging, hörte ich ein Geräusch. Müde und verzweifelt, wie ich war, stellte ich mir vor, Mike wäre wieder da. Ich würde zu ihm gehen, mich aufs Bett werfen. Er würde warten, bis ich zu reden anfing, und irgendwann würde er fragen: »Na? Bist du fertig?« Und dann würde er mir erklären, wie alles zusammenhing. Mit Valerie und Carlotta. Und Finn! Mike würde ihn nicht einfach verdächtigen. Er würde Fragen stellen. Ich müsste ihm alle Kleinigkeiten erzählen, die mir jetzt durch den Kopf schossen. Die Szene abends vor dem Gemein dehaus, als Finn den coolen Ruven vor allen anderen zurechtgewiesen hatte. Und dieser hatte einfach klein beigegeben? Warum? Und diese Gerüchte über den Geheimbund? Und welche Rolle spielte das Hotel, in dem Finn angeblich am besten nachdenken konnte? Was war mit den Rollerspuren im Wald? Wo hatte er sich an dem Abend herumgetrieben, als wir im Restaurant seiner Mutter gegessen hatten? Hör auf, so etwas auch nur denken, wies ich mich zurecht. Dafür gibt es sicher eine logische Erklärung! Ich holte tief Luft. Ich war drauf und dran, mich hier in etwas hineinzusteigern. Stattdessen sollte ich mich bei Tom entschuldigen. Schließlich hatte er nach der Schule umsonst auf mich gewartet. Sicher hatten sich alle Sorgen um mich gemacht. Ich öffnete die Tür. Das Erste, was mir auffiel: Es roch nicht mehr nach Mike. Seine Sachen waren verschwunden. Stattdessen hing über der Lehne des alten Schaukelstuhls Toms Jacke und unter der Heizung standen seine Stiefel. Irgendwo in meinem Kopf registrierte ich, dass sie total durchnässt waren. Jemand saß am Schreibtisch. Nein, es war nicht Tom, sondern – ich traute meinen Augen nicht. »Was machst du denn hier?« Jamaica sprang auf: »Ich habe auf dich gewartet!« »Hier?« »Ich habe Tom vor der Schule getroffen. Er wollte dich abholen und na ja, die Gelegenheit konnte ich mir schließlich nicht entgehen lassen. Stell dir vor: allein mit ihm im Auto. Ich bin also mit zu euch gefahren, habe behauptet, du müsstest mir Mathe erklären . . .« Sie redete ohne Punkt und Komma. »Wo ist meine Mutter?«
    »Mit Tom zu Aldi gefahren.« »Und da gehst du einfach in...in dieses Zimmer? Schnüffelst herum?« Ich rechnete fest damit, dass Jamaica das mit einem Lächeln weg wischen, eine Ausrede erfinden, eine wirre Geschichte erzählen würde, doch sie schwieg. Ihre Hände lagen auf ihrem Rücken. »Was hast du da?« »Nichts«, erwiderte sie und schüttelte den Kopf. Irgendetwas stimmte hier nicht. Ich bemerkte, wie sie etwas hinter sich wegschob. Ich trat einen Schritt näher, war nur einen Meter von ihr ent fernt, als sie plötzlich erneut zu reden anfing: »Wo warst du denn die ganze Zeit? Du hast Glück, dass ich Tom nach der Schule getroffen habe. Ich habe behauptet, du müsstest dem Dunkelmann in der Schule helfen.« Stolz grinste sie mich an und in diesem Moment war ich ihr wirklich dankbar. Jamaica mochte anstrengend sein, aber wenn es darauf ankam, war auf sie Verlass. Unten fiel die Haustür ins Schloss. Wir zuckten beide zusammen, sahen uns an. Fast gleichzeitig rannten wir hinaus auf den Flur und in der nächsten Minute wa ren wir in meinem Zimmer, wo Jamaica sich aufs Bett fallen ließ. Wider Erwarten fing sie an, hysterisch in mein Kopfkissen zu kichern. »Was ist los? Komm, sag schon!« »Dasselbe könnte ich dich fragen«, sagte sie, sobald sie sich be ruhigt hatte. Die Antwort blieb mir erspart, denn die Schritte meiner Mutter erklangen auf dem Flur. Es klopfte und schon stand sie in der Tür. »Sofie?« Sie sah besorgt aus, aber nicht böse. Ich nahm mir vor, in Zukunft netter zu Jamaica zu sein.
    »Hallo, Mam.« Ich lächelte sie an. »Oh Gott, der Dunkelmann, der hat mir stundenlang Vorträge gehalten. Ich bin fast nicht zu Wort gekommen.« Jamaica kam mir zu Hilfe und erklärte fröhlich: »Sofie ist wirk lich sein Liebling. Mich hat er noch nie gefragt, ob ich dablei ben kann...naja, vielleicht komme ich nie an die Reihe. Ich glaube, der Dunkelmann hat Angst, wenn ich ihm helfe, explo diert der ganze Physiksaal, womit er wahrscheinlich recht hätte.« Sie lachte nervös, aber meine Mutter schien das nicht zu be merken. »Warum hast du das nicht heute Morgen gesagt?«, wandte sie sich an mich. »Tut mir leid, ich hatte es total vergessen.« Sie lächelte, aber es sah

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