Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dornroeschenmord

Dornroeschenmord

Titel: Dornroeschenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kalman
Vom Netzwerk:
weißer Organza türmte sich auf dunkelgrünem Samt – verschwand Mandy in der Umkleidekabine. Der Kopf einer puppig geschminkten Verkäuferin drängte sich durch die Vorhänge. »Ist alles in Ordnung?« fragte sie neugierig.
    »Danke, ich komme schon allein zurecht«, sagte Mandy brüsk und zog den Vorhang wieder zu.
    Schließlich entschied sie sich für das schmale Kleid aus dunkelgrünem Samt. Sie verließ die Kabine und drehte sich beschwingt vor dem Spiegel. Dabei stellte sie zutiefst befriedigt fest, daß das Treppensteigen und der morgendliche Dauerlauf nicht ohne Wirkung geblieben waren.
    »Da wird Ihr Gatte aber Augen machen, wenn er Sie in diesem Kleid sieht.« Wie aus dem Nichts war die Verkäuferin wieder aufgetaucht.
    »Meinen Sie?« Mandy drehte sich noch einmal und sagte dann: »Ja, ich glaube, Sie haben recht. Ich nehme es.«
    Während Mandy mit einer großen Tüte in der Hand die Rolltreppe hinunterfuhr, trat die Person aus dem Schatten eines Kleiderständers. Ihr Blick folgte der rothaarigen Frau, bis sie zwischen den Auslagen im Erdgeschoß verschwunden war. Dreh dich, Püppchen, dreh dich. Dein letzter Tanz ist mein.
    Als Mandy aus dem Kaufhaus trat, war es eine Minute vor zwölf und Münchens Stadtmitte der Anziehungspunkt für alle Touristen, die nichts dem Zufall überließen, sondern lieber ihrem Baedeker gehorchten. Sobald der Zeiger der Rathausuhr eine Minute nach vorn gerückt war, ertönte die Melodie des weltberühmten Glockenspiels.
    Mit dem pflichtbewußten Interesse des routinierten Reisenden zückten Japaner, Amerikaner, Australier, Italiener und Chinesen gleichzeitig ihre Kameras, filmten und fotografierten das Schauspiel im Rathausturm – wieder ein Punkt, den man auf dem Besichtigungsprogramm abhaken konnte.
    »Oh, it’s marvelous, isn’t it«, näselte eine übergewichtige Amerikanerin, als Mandy sich energisch ihren Weg durch die Menschenmasse bahnte. Ohne genau zu wissen, warum, beschlich sie für einen kurzen Moment das Gefühl, als verfolge sie jemand. Nervös drehte sie sich um und starrte in das Gesicht eines höflich lächelnden Japaners. Unter vielen Verbeugungen drückte er ihr eine Digitalkamera in die Hand. »Thank you, thank you«, bedankte er sich immer wieder, nachdem Mandy ihn und seine Kirschblüte in Prada vor der Mariensäule abgelichtet hatte.
    Was macht ein Japaner, wenn er einen Hundertmarkschein auf der Straße liegen sieht? Er fotografiert ihn, schoß es Mandy durch den Kopf, und sie konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
    Wußte ich doch, daß wir uns wiedersehen, meine Schöne. Edward von Habeisberg hatte soeben auf der Terrasse des Cafés am Dom Platz genommen und beobachtete Mandy, die mit weit ausholenden Schritten den Platz überquerte. Beim Anblick ihrer wippenden Locken konnte er für einen Moment fast spüren, wie sie sich in seinen Händen angefühlt hatten. Amüsiert mußte er an eine dieser Frauen aus der Werbung für Haarspray denken.
    Allerdings schlug sein Herz beängstigend schnell. Am liebsten wäre er aufgesprungen und hinter ihr hergerannt, doch ehe er dieser spontanen Regung nachgeben konnte, war Mandy seinen Blicken entschwunden.
    Ein wenig enttäuscht sank er in den Stuhl zurück und rührte nachdenklich in seinem Kaffee. Die Welt schien sich auf merkwürdige Weise verändert zu haben. Plötzlich bestand sie für ihn nur noch aus Paaren. Nicht unbedingt Liebespaare, sondern Freunde, Mütter und Kinder, Rentner mit Hunden … Es war wohl tatsächlich so, dachte Edward, daß die Menschen nur paarweise wirklich glücklich waren. Komisch, daß ihm das früher nie aufgefallen war.
    Die Erkenntnis verunsicherte ihn, denn das Bild, das er von sich hatte, war das eines freien Mannes, der sich niemals einem Zwang unterwarf. Ein Herr der sieben Meere eben. Und jetzt? Jetzt fühlte er sich plötzlich ziemlich allein. Die Freiheit war nicht viel wert, wenn sie einsam machte.
    Und dann war da dieses nagende Gefühl, das ihn in letzter Zeit immer wieder beschlichen hatte, vor allem nachts. Konnte es allen Ernstes sein, daß er Mandy vermißte? Und das Leben mit ihr? Aufs äußerste beunruhigt zahlte Edward seine Rechnung und verließ das Café. Auf dem Weg zu seinem Parkplatz versuchte er, Mandy im Getümmel zu entdecken. Aber sie war nicht mehr da.
    Zur selben Zeit beantwortete Dr. Lehmann im Klinikum Gabersee die Fragen einer Ärztin aus München. Der Verdacht, der schon seit geraumer Zeit in ihm keimte, wurde größer. Nach dem Telefonat

Weitere Kostenlose Bücher