Dornroeschenmord
fallen.
»Frederick«, sagte sie und merkte selbst, wie dünn ihre Stimme klang, »warum hast du mir nicht die Wahrheit gesagt? Und vor allem: Wo hast du deine Familie bislang versteckt? Ich war so oft mit dir hier, und es hat nie irgendein Anzeichen dafür gegeben, daß außer dir noch jemand hier wohnt.«
»Sabine und ich leben seit einem Jahr getrennt. Ich hier und sie auf Mallorca. Sie war jetzt in München, um ihre Eltern zu besuchen. Als wir auf der Premierenfeier waren, ist bei Anna-Lena der Blinddarm durchgebrochen, deshalb mußte ich so dringend weg. Bis die Kleine wieder gesund ist, wohnen Sabine und Julian natürlich hier.«
»Warum hast du mir nichts davon erzählt? Ich dachte, dir liegt etwas an mir und unserer Beziehung.«
»Das verstehst du nicht.« Das schlechte Gewissen stand ihm jetzt deutlich ins Gesicht geschrieben, aber er brachte es nicht fertig, ihr in die Augen zu sehen.
»Das verstehe ich sehr gut. Du warst an einer ernsthaften Beziehung gar nicht interessiert, an einer Beziehung, auf die man baut, aus der etwas entsteht. Du wolltest in erster Linie Spaß. Dir ging es darum, deine Bedürfnisse zu befriedigen, aber an mich und meine Gefühle hast du keine Sekunde gedacht. Und wie praktisch, so konnte ich dir wenigstens nicht mit lästigem Scheidungsgerede in den Ohren liegen. Du armseliger, verlogener Pinscher!«
»Jetzt tu doch nicht so, als wärst du schlecht dabei weggekommen. Dir hat’s doch genauso gut gefallen. Was wärst du ohne mich gewesen? Eine einsame Frau, die nachts in ihre Kissen weint. Also komm mir jetzt nicht mit Moral.«
»Ich kann dir sagen, was ich wollte: Ehrlichkeit und die Gewißheit, daß mein Vertrauen nicht mißbraucht wird.« Da fiel ihr plötzlich etwas ein: Hatte sie nicht selbst Fredericks Vertrauen mißbraucht? Schließlich hatte sie ihn mit Edward betrogen … und bisher noch keine Gelegenheit gehabt, es ihm zu sagen.
Wie es aussah, bestand dazu allerdings auch nicht mehr die Notwendigkeit, und warum sollte sie ihm den Degen, den er gegen sie richten konnte, auch noch selbst in die Hand drücken? Wenn sie es recht bedachte, so paßte der Verlauf der Geschichte ausgezeichnet zu ihren Absichten. Sie konnte ihn abservieren, und das Schuldgefühl würde trotzdem bei ihm bleiben. Sehr gut. Sie erhob sich langsam und warf ihm einen waidwunden Blick zu.
»Ich denke, es ist das Beste, wenn ich jetzt gehe. Wir wissen beide, daß die Situation zwischen uns nicht mehr zu retten ist.« Sie seufzte tief. »Du hast mich zutiefst verletzt, Frederick, aber es bringt mich keinen Schritt weiter, wenn ich die Szene hier künstlich verlängere. Außerdem bin ich es leid, deine dummen Ausreden zu hören.«
Sie stand auf, und die klappernden Absätze ihrer Pumps entfernten sich auf dem blankgewienerten Parkett. Hinter ihr schnappte die Tür ins Schloß, und Mandy sah etwas fallen: eine Träne.
Frederick war reglos stehengeblieben. Ihm erschien ihr Abgang mehr als merkwürdig. Erst regte sie sich maßlos auf, beschimpfte ihn wütend, um ihm von einer Sekunde zur nächsten den Abschied zu geben und hinauszustolzieren. Es paßte doch gar nicht zu ihrem Temperament, so schnell klein beizugeben.
Bestimmt sann sie auf Rache, das mußte er verhindern. Wenn Sabine von der Sache erfuhr, war das Spiel für ihn aus. Sie würde es postwendend ihrem Vater sagen, und der würde sofort sein Kapital zurückverlangen, das im Unternehmen seines Schwiegersohns steckte. Und Frederick Bergerhoff wäre ein armer Mann.
Außerdem war er Mandy gegenüber wieder nicht ehrlich gewesen: Sabine und er lebten tatsächlich getrennt, aber nur, weil Sabine den größten Teil des Jahres auf Mallorca verbringen mußte, aus gesundheitlichen Gründen. Sie litt unter schweren Asthmaanfällen und brauchte daher viel Wärme und trockenes Klima. Für sie stand es natürlich vollkommen außer Frage, daß Frederick nach wie vor ihr treusorgender Ehemann war.
Großer Gott, warum hatte er seinen Trieb nicht besser im Griff? Warum wurden Frauen ihm immer wieder zum Verhängnis? Er konnte nur hoffen, daß Mandy den Mund hielt. Ihre Vorgängerinnen hatten ihm zwar gedroht, aber er war ihnen – Gott sei Dank – zuvorgekommen und hatte dafür gesorgt, daß sie nicht plauderten.
Und dann war da noch Cordula Schiller. Es lag an ihm, ob sie schweigen würde oder nicht …
Edward saß mit klopfendem Herzen vor seinem Schreibtisch. Vor fünf Minuten hatte Frau Altmann ihm ein Fax aus New York hingelegt. David
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