Dornröschenschlaf
fähig war. ( Das ist nicht GERECHT ! Ich bin schlieÃlich der GAST ! ) Dann würde sie noch einmal aus der Haustür stürmen, dieses Mal jedoch würde sie an der Schaukel stehen bleiben, auf die silbrig schimmernde Rutsche klettern, und dann würde Theresa Koppelson den Pausenknopf betätigen, und alles in dem Haus und auf dem Grundstück â von den Rasensprengern über den Rasenmäher und die Fernseher bis hin zu den Bienen â würde reglos verharren. Dann würde Theresa seelenruhig aus ihrer Küche in den Garten gehen, denn das für die Käsemakkaroni aufgesetzte Wasser wäre mitten im Kochvorgang erstarrt. Sie würde sich an ihren ebenfalls erstarrten Haustieren und Familienmitgliedern vorbei durch die offene Tür und die reglose Luft, vorbei an unbeweglichen Mücken und Kolibris bewegen, sich der Schaukel nähern und Iris Neff wie eine lebensgroÃe Pappfigur herunterheben. Dann brächte sie das kleine Mädchen zurück in ihre Küche, schlösse die Haustür ab, riefe Irisâ Mutter an und lieÃe sie nicht mehr aus den Augen, bis Lydia Neff sie holen kam. Dann, erst dann, würde sie den Schnellvorlauf betätigen, bis wieder heute Abend wäre, und der Subaru wäre an einen Schrotthändler verkauft, die Schaukel wäre abgebaut, andere Häuser in der StraÃe wären umgebaut, frisch gestrichen, renoviert, und der eine fürchterliche Fehler wäre endlich korrigiert â¦
Aber vielleicht hoben ja die Koppelsons auch einfach gern alles auf. Brenna musste endlich damit aufhören, ihre eigenen Gedanken auf andere zu projizieren. Weil sie nur mit Fakten weiterkam.
Sie hatte Theresa Koppelson am Morgen des 20. Oktober 1998 kurz befragt. Von einem blauen Wagen hatte Theresa nichts gehört, und alles, was Brenna über den Nachmittag des Labor Day â über die Käsemakkaroni, den Streit zwischen den Mädchen, die Tatsache, dass Theresa so beschäftigt gewesen war, dass sie Irisâ Verschwinden erst zwei Stunden später bemerkt, bei Lydia angerufen und ihr eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen hatte â wusste, stammte aus dem Polizeibericht.
Während ihres fünfminütigen Gesprächs in der Einfahrt ihres Hauses hatte Theresa nur gesagt: »Ein blauer Wagen? Nein. Tut mir leid.« Und bei der Erwähnung von Irisâ Namen hatte sie verlegen auf ihre FüÃe gestarrt. »Sie war schon vorher ein-, zweimal einfach gegangen, wenn sie bei uns war. Das wurde in den Zeitungen natürlich nie erwähnt. Sie ist ein sehr eigenwilliges, unabhängiges kleines Mädchen, und als Lydia nicht zurückgerufen hat, nun, da ging ich einfach davon aus, dass alles â¦Â«
Ich weiÃ. Ich habe auch jemanden verloren, hätte Brenna am liebsten zu ihr gesagt.
Sie schaltete das Radio ihres Sienna ein, und während eine Boygroup, die vor ein paar Jahren in gewesen war, harmonisch über das Anfüllen von leeren Räumen mit Löchern jammerte, beschleunigte sie ihr Tempo, blickte wieder vor sich auf die StraÃe und dachte nur noch an leere Räume, Löcher und stachelhaarige Mitglieder von Boybands, bis sie vor dem Haus mit der Nummer 2921 hielt.
F
Muriel Court war eine Sackgasse. Riesige Ulmen und Kiefern flankierten das am hinteren Ende links stehende Neffâsche Haus. Für ein Haus in einem Vorort war es äuÃerst abgeschieden â die Hecken an der StraÃe waren inzwischen derart hoch, dass man das Gefühl hatte, dies wäre das Heim eines berühmten Schauspielers, dem am Schutz seiner Privatsphäre gelegen war. Zehn Jahre zuvor hatte Brenna von der anderen StraÃenseite noch die Einfahrt sowie einen groÃen Teil des Obergeschosses sehen können, das mit seinen Blumenkästen vor den Fenstern und den sanft geschwungenen weiÃen Läden mit den ausgeschnittenen Herzen für ein urplötzlich so leeres und so unglückliches Haus geradezu schmerzlich anheimelnd gewesen war. Inzwischen aber konnte man nur noch das Dach des Hauses sowie einen dichten Blättertunnel sehen.
Brenna parkte vor der Hecke und stieg aus. Rechter Hand stand ein Terrassenhaus, von dem man einfach wusste, dass zu irgendeinem Zeitpunkt das gesamte Innere mit Holzpaneelen, Pflanzenampeln aus Makramee und abgewetzten, tangfarbenen, öligen und steifen Flickenteppichen verschandelt worden war. Und noch immer brauchte man es sich nur anzusehen, und schon fiel
Weitere Kostenlose Bücher