Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dornröschenschlaf

Dornröschenschlaf

Titel: Dornröschenschlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Gaylin
Vom Netzwerk:
einem die Titelmelodie von Drei Mädchen und drei Jungen ein. Die meisten dieser Häuser hatte man während der Reagan-Ära dem Erdboden gleichgemacht, dieses hier jedoch hob sich von den Tudorresidenzen der Umgebung ab wie ein Smoking von den übrigen Klamotten in Trents Kleiderschrank. Bei ihrem letzten Besuch in Tarry Ridge hatte sie sich nichts dabei gedacht, inzwischen aber konnte sie den Wunsch nach all den dichten Hecken und den hohen Bäumen gut verstehen. Hinter den Gewächsen hatte Lydia Neff sich vor der Schuld verschanzt.
    Brenna ging an dem ZU-VERKAUFEN -Schild vorbei den Weg zwischen den Hecken hindurch in Richtung Haus. So nah war sie dem Neff’schen Haus nie zuvor gewesen. Bisher hatte sie es sich nur aus der Ferne angesehen, weshalb dies eine vollkommen neue Erfahrung – ohne jegliche Erinnerungen – und vor allem eine echte Überraschung für sie war.
    Der Geruch von nassem Gras war völlig unerwartet, und sie hätte auch niemals gedacht, dass die Farbe noch so frisch aussähe, dass die Außenlichter funktionierten und tatsächlich eingeschaltet wären oder dass eine dichte Reihe Chrysanthemen unter den Fenstern blühen würde, als hätte jemand sie ganz frisch gesetzt. Unter einem leerstehenden Haus hatte sie sich ein Gebäude vorgestellt, das vernachlässigt aussah. Doch das tat es nicht. Es wirkte vielmehr einladend und liebevoll gepflegt.
    Und wie all die anderen Häuser in der Straße sah es noch genau wie damals aus. Es hatte immer noch den hellen gelben Anstrich, immer noch dasselbe dunkelrote Dach, immer noch die Läden, wie man sie von Kuckucksuhren kannte, und genau wie vor zehn Jahren waren die Blumenkästen dicht mit roten und weißen Stiefmütterchen bepflanzt.
    Gerade als Brenna das Haus umrunden wollte, fiel ihr auf, dass im Schatten zwischen dem hinteren Ende des Gebäudes und den Bäumen, die die Einfahrt säumten, etwas glitzerte.
    Je näher Brenna diesem Glitzern kam, umso besser konnte sie den Gegenstand erkennen, und mit wild klopfendem Herzen dachte sie: Vielleicht hat es jemand erst vor kurzem hier zurückgelassen – irgendwelche Kinder, die gewettet haben, wer von ihnen sich am weitesten auf das verlassene Grundstück traut, das Kind der Immobilienmaklerin oder vielleicht eines potentiellen Käufers …
    Es mochte einfach ein plausibler, wenn auch kranker Zufall sein. Doch als Brenna direkt vor dem Fundstück stand, richteten sich ihre Nackenhaare auf.
    Es war ein Kinderrad mit dem Erdbeer-Shortcake-Logo auf den noch nicht abmontierten Stützrädern. Es wurde nicht einfach hier liegengelassen, ging es Brenna durch den Kopf. Der gesamte Rahmen dieses Fahrrades war voller Rost, und zwischen den Griffen des Lenkers funkelte ein Spinnennetz.
    Und dann war da noch der Sattel, auf dem in der sorgfältigen, runden Schrift, wie sie für kleine Mädchen typisch war, der Name IRIS stand.
    Brenna ging hinter das Haus und wurde mit einem Mal in einen kalten Nebel eingehüllt. Sie eilte durch die Feuchtigkeit des automatisch angesprungenen Rasensprengers bis zur Hintertür, schüttelte sich dort das Wasser aus den Haaren und dachte weiter an das Rad … Ein rostiges Gefährt, das im Schatten dieses behüteten Hauses verborgen war. Nelson Wentz hatte ihr am Telefon erzählt, dass Lydia ihr Haus vollständig möbliert hatte verkaufen wollen, als sie fortgezogen war. Sie wollte alles hinter sich lassen, hatte Brenna sich gesagt. Das Haus mit dem gesamten Mobiliar, sämtliche Erinnerungen, die damit verbunden waren.
    Aber Iris’ Fahrrad, das im Garten stand, als hätte man es schon seit Jahren nicht mehr bewegt … das war etwas anderes. Hatte Lydia es dort hingestellt? Hatte sie zu der Maklerin gesagt: Verkaufen Sie das Haus, machen Sie mit den Möbeln, was Sie wollen, aber das Fahrrad bleibt ? Vielleicht sah Lydia ja das Rad als etwas an, woran Iris sich klammern könnte, käme sie jemals zurück. Etwas, was ihr sagen würde, dass zwar ihre Mutter fortgezogen war, aber hier, Iris, sieh dir das an. Tritt gegen die Stützräder, fahr mit deiner Hand über den Sattel, befühl deine zehn Jahre alte Unterschrift. Hier ist mein Zeichen der Verbundenheit. Hier ist der Beweis, dass du immer noch vermisst, immer noch geliebt, immer noch mein Kind, allzeit meine Tochter bist …
    Aber vielleicht projizierte Brenna wieder einmal viel zu viel

Weitere Kostenlose Bücher