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Dornröschenschlaf

Dornröschenschlaf

Titel: Dornröschenschlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Gaylin
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ist … ein bisschen seltsam«, meint Kaye.
    Brenna nickt und wartet ab.
    Â»Iris meinte, dass der Weihnachtsmann, wenn er Tarry Ridge besucht, immer ein blaues Auto fährt.«
    Ein Lkw donnerte an Brennas geparktem Sienna vorbei und holte sie wieder in die Gegenwart zurück. Sie blieb ein paar Sekunden einfach sitzen und starrte zähneknirschend auf das Schild von Wax Attax .
    Hör auf nachzudenken, sagte sie sich streng. Sie würde Nelson Wentz besuchen, einen Blick auf den Computer werfen, ihre Anzahlung abholen und dann zurückfahren. Aber als sie ihren Wagen startete, die Hauptstraße hinauffuhr und ihr GPS -Lee erklärte, am Muriel Court ginge es abermals nach rechts, wandte sie sich stattdessen nach links. Und als GPS -Lee sie bat zu wenden, schaltete Brenna ihn aus und fuhr – da sie nicht die Absicht hatte kehrtzumachen – einfach weiter geradeaus.

6
    Am Anfang ihrer Ermittlungen besuchte Brenna stets den Ort, an dem die verschwundene Person zum letzten Mal gesehen worden war. Sie fand es hilfreich, sich in diesen Menschen hineinzuversetzen und seine letzten Schritte in umgekehrter Richtung selbst zu gehen.
    Obwohl das hier etwas anderes war. Niemand hatte Carol Wentz im Haus 2921 Muriel Court gesehen. Einzig ihre Brieftasche war dort gefunden worden, was ein äußerst vager Hinweis war, weil schließlich eine Brieftasche viel eher verlorenging als ihr Besitzer oder ihre Besitzerin. Es war also durchaus möglich, dass jemand Carol die Brieftasche gestohlen – oder sie irgendwo gefunden – hatte, bevor sie von ihm im Neff’schen Wohnzimmer zurückgelassen worden war.
    Trotzdem zog das Neff’sche Haus Brenna geradezu magisch an. Das warf die Frage auf, um welche vermisste Person es ihr in Wahrheit ging, doch Brenna hatte keine Lust, sie zu beantworten, und starrte deshalb weiter Häuser an.
    Die Hauptstraße mochte ein wachsender Dinosaurier sein, in Muriel Court jedoch – oder zumindest im westlichen Teil – schien die Zeit stehengeblieben zu sein. Alles an diesem Teil der Straße sah noch ganz genau wie 1998 aus – der symmetrisch angelegte Platz, die sorgfältig gepflegten Grünflächen und die stattlichen Häuser, die typisch für Neuengland waren und die wie ältliche Tanten tadelnd auf die Vorgärten heruntersahen. Nirgends waren Anbauten, Schwimmbecken oder moderne Nebengebäude zu sehen. In anderen Gegenden von Tarry Ridge waren elegante Neubauten und eingezäunte Wohnanlagen wie Pilze aus dem Boden geschossen, allesamt so neu, dass sich Brenna wunderte, dass sie nicht noch in Geschenkpapier gewickelt waren – hier in dieser Ecke aber nicht. Soweit Brenna im Dunkeln sehen konnte, sahen selbst die Anstriche der Häuser noch wie vor elf Jahren aus.
    Sie fuhr an der rauchig weiß gestrichenen Kolonialvilla vorbei, die Theresa und Mark Koppelson mit ihren fünf Kindern, zwei Hunden und während ein paar Stunden an jenem hektischen Nachmittag des Labor Day mit Iris Neff geteilt hatten.
    Die Koppelsons lebten noch immer in dem Haus. Das erkannte Brenna an dem Wagen, der in der Einfahrt stand – einem grauen Subaru Forester mit dem Nummernschild NYX 319, der vor elf Jahren brandneu gewesen war, jetzt aber wie der müde, ältliche Verwandte der beiden anderen dort geparkten Fahrzeuge – eines schwarz schimmernden Mini Coopers und eines weißen prächtigen MDX – erschien. Brenna ginge jede Wette ein, dass die jüngste Tochter der Familie, Claire, die an jenem Labor Day Iris’ Spielkameradin gewesen war, jetzt diesen Wagen fuhr. Weil sie inzwischen schließlich sechzehn war.
    Schwerer zu erklären als der Subaru aber war die Schaukel, die im Vorgarten des Hauses stand. Die Koppelson’schen Kinder waren viel zu alt für Klettergerüste und Rutschen … vielleicht hatten Theresa und Mark ja in der Zwischenzeit noch mehr Nachwuchs bekommen … aber Brenna kamen das Spielgerät und selbst der Wagen wie Versuche vor, die Zeit dazu zu bringen, dass sie stehenblieb – alles so zu lassen, wie es an dem Tag gewesen war, als ein kleines Mädchen aus dem Haus verschwunden war, damit Iris unverändert, unversehrt, noch immer als das kleine Mädchen wiederkam. Damit sie sich weiter mit der sechsjährigen Claire um den letzten weißen Schokoladensplitter-Keks stritt und die gerechte Empörung empfände, zu der nur ein Kind im Grundschulalter

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