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Dornröschenschlaf

Dornröschenschlaf

Titel: Dornröschenschlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Gaylin
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Augen glitzerten im trüben Licht der Lampe, unter der er stand, und der Ausdruck eines Gefühls, das Brenna nicht hätte benennen können, huschte über sein schmales Gesicht. »Es ist interessant«, stellte er schließlich fest, »wie ein einziges Wort die Bedeutung einer Frage vollkommen verändern kann.«
    Brenna atmete zischend aus und schloss die Fahrertür des Sienna auf. »Ich habe Carol Wentz nie kennengelernt. Trent hat Ihnen unsere Telefonlisten gezeigt. Sie haben selbst gesehen, dass in den letzten zweieinhalb Wochen keine neue Mandantin bei uns angerufen hat.«
    Â»Ich weiß.«
    Â»Mit Mrs Wentz’ Verschwinden hatte ich nichts zu tun.«
    Â»Ich weiß.«
    Â»Also, Detective Morasco …«
    Â»Nick.«
    Â»Also, Nick. Warum haben Sie mich dann überprüft?«
    Â»Nun …« Er räusperte sich leise. »Sie müssen zugeben, Sie sind …«
    Â»Ich bin?«
    Â»Eine faszinierende Persönlichkeit.«
    Ihre Brauen schossen in die Höhe.
    Â»Ich meine … diese Störung. Bis ich Dr. Liebermans Buch gelesen habe, hatte ich noch nie etwas davon gehört, dass es Menschen mit einem perfekten Gedächtnis gibt.«
    Brenna trat näher an ihn heran. Mehr als alles andere wünschte sie sich, sie könnte ihm hinter die Stirn blicken und seine Gedanken lesen. Für gewöhnlich war sie ziemlich scharfsichtig, aber um nichts in der Welt hätte sie sagen können, ob Morasco ehrlich war oder ihr nur etwas vormachte. Und wenn Letzteres der Fall war, was spielte ihr der Mann dann vor? Brenna spürte, dass ihr abermals die Röte in die Wangen stieg, und war froh über die relative Dunkelheit. »Vielleicht bräuchte Nelson Wentz, wenn Sie ebenso viel Zeit auf die Suche nach seiner Frau wie auf die Erforschung meiner … Störung verwenden würden, ja sein Geld nicht für eine Privatdetektivin zu verschwenden«, erwiderte sie, öffnete die Wagentür und glitt auf ihren Sitz. »Auf Wiedersehen, Nick.«
    Sie wollte ihr Fenster schließen, doch Morasco legte eine Hand auf den Rahmen und beugte sich zu ihr herein, bis er auf Augenhöhe mit ihr war. »Carol Wentz hat nie mehr als fünfzig Dollar von ihrem Konto abgehoben, aber am Tag vor ihrem Verschwinden war sie an einem Bankautomaten und hat sich fünfhundert geholt.«
    Â»Wie bitte?«
    Â»Ich schätze, das hat Nelson Wentz Ihnen nicht erzählt.«
    Â»Nein …«
    Â»Interessant … denn wir haben es ihm erzählt«, erklärte er. »Oh, und außerdem wurde Carol drei Tage bevor sie verschwand, in einem Diner in Mount Temple gesehen, wo sie mit einem anderen Mann zusammensaß.«
    Â»Ist das Ihr Ernst?«
    Er hob eine Braue. »Sie sind nicht der einzige Mensch, von dem ich etwas weiß.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nelson Wentz hat mir erzählt …«
    Â»Lassen Sie mich raten: Die Ehe war glücklich, und seine Frau hätte ihn nie verlassen, doch aus irgendeinem Grund wollen wir Cops das einfach nicht verstehen.«
    Â»Ja«, gab Brenna zu. »Tatsächlich hat er es fast wörtlich so gesagt.«
    Â»Nelson ist ein netter Kerl, aber auf das, was er erzählt, ist nicht wirklich Verlass«, fuhr Morasco fort. »Sie hatten eine beschissene Ehe, Brenna. Das werden Ihnen sämtliche Nachbarinnen bestätigen. Und mindestens eine von ihnen hat mitbekommen, wie Carol Wentz beim letzten Treffen ihres Buchclubs, ohne ins Detail zu gehen, gestanden hat, dass sie sich ›schuldig‹ und ›unbefriedigt‹ fühlt.«
    Brenna starrte ihn durchs offene Fenster an.
    Er setzte ein trauriges Lächeln auf. »Ich erzähle Ihnen das, weil es Ihnen vielleicht hilft zu wissen, womit Sie es zu tun haben.«
    Bis sie ihre Gedanken weit genug sortiert hatte, um etwas zu erwidern, war Morasco bereits fort. Und so sah sie ihm hinterher, wie er den Block hinauf zurück zu seinem Wagen lief.
    Nelson Wentz war im wahrsten Sinne des Wortes ein jungenhafter Kerl. Er war, wie Brenna dank ihrer Recherche wusste, achtundfünfzig Jahre alt, aber wie er da in seinem Wohnzimmer in einem Polstersessel vor ihr saß, hätte er auch fünfundzwanzig sein können, fünfzehn oder gar erst fünf. Denn für einen Mann mittleren Alters war er überraschend leicht und zart. Er warf einen derart schwachen, kleinen Schatten, als hätte er es geschafft,

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