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Dornröschenschlaf

Dornröschenschlaf

Titel: Dornröschenschlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Gaylin
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er dann auch tat. Es dauerte eine volle Minute, bis er aufhörte, sich die Augen zu reiben.
    Â»Ich glaube, sie sagte: ›Du hast mich erschreckt.‹«
    Brenna sah ihn an. »Und wo war sie, als sie das gesagt hat?«
    Nelson führte sie zurück ins Wohnzimmer. »Hier.« Er stand gute sechs Meter von der Couch entfernt, weshalb sie eindeutig nicht gerade aufgestanden war. Auch vom Kamin war er relativ weit entfernt, stand aber nur einen Meter neben einer Tür, die Brenna bisher gar nicht aufgefallen war.
    Â»Was ist das da für eine Tür?«
    Â»Dahinter ist Carols Handarbeitsraum«, erklärte er. »Sie … äh … könnte sein, dass sie die Tür gerade zumachte, als ich nach Hause kam. Aber sicher bin ich mir nicht.«
    Brenna öffnete die Tür des Raums. Offenbar bewahrte Carol dort tatsächlich nur das Zubehör für ihre Handarbeiten auf, aber trotzdem räumten sie und Nelson die Regale aus.
    Stoffballen und zum Bersten mit luxuriöser Wolle gefüllte Stricktaschen, zusammengefaltete Tücher, Stickzeug sowie drei geknüpfte Teppiche, die von Carol laut Nelson bereits während ihrer Collegezeit gefertigt worden waren. Unter allen diesen Dingen tauchte schließlich eine kleine schwarze Truhe auf. »Und was ist da drin?«
    Â»Ich glaube, in der Truhe bewahrt sie ihre Quilt-Sachen auf.« Er klappte den Deckel auf.
    Brenna sah sich kurz die Stücke bunten Stoffs, die Nadelkissen, dicken Nadeln, Fäden, Scheren mit wie Erdbeeren geformten Griffen und mehrere wattierte, bereits zusammengenähte Vierecke an und machte die Truhe wieder zu. »Ich schätze, das wäre auch zu einfach gewesen.«
    Â»Wie?«
    Â»Nichts weiter. Es ist nur einfach so: Wenn Menschen was verstecken wollen, wählen sie dafür gewöhnlich einen Ort, der nur ihnen allein gehört. Mit anderen Worten hätte Carol sicher nicht gerade die Küchenschublade, den Couchtisch oder ihren Nähtisch dafür ausgewählt, denn da gehen Sie selbst auch regelmäßig dran. Wenn Carol etwas vor Ihnen hätte verstecken wollen, hätte sie dafür einen Ort wie ihren Handarbeitsraum gewählt. Einen ihr eigenen Bereich.«
    Â»So etwas gibt es nicht«, erklärte Nelson ihr.
    Brenna wandte sich ihm zu. »Was gibt es nicht?«
    Nelson biss die Zähne aufeinander und bedachte sie mit einem bitterbösen Blick. »Es gibt nichts, was sie vor mir verstecken will.«
    Carol liebte ihn nicht. Carol hatte Geheimnisse vor ihm.
    Nachdem Brenna sein Haus verlassen hatte, saß Nelson lange völlig reglos und sogar ohne zu blinzeln auf der Couch, bis er sich selbst am Schluss an Anthony Perkins erinnerte, wie er am Ende von Psycho stocksteif im Büro des Detectives gesessen, die Stimme seiner Mutter gehört und sich auch nicht gerührt hatte, als eine Fliege über seine Hand gekrabbelt war.
    Ein in der Hülle gefangener Wutknoten. Das war Norman Bates, oder etwa nicht? Und dazu wurde langsam, aber sicher auch er selbst. Er musste endlich aufhören. Musste die Wut bekämpfen, bevor sie die Hülle zum Schmelzen brachte und alles verbrannte, was ihr zu nahe kam.
    Die verschwundene Kreditkarte, der Handarbeitsraum und sogar sein Computer. Der bestimmt nicht Carols eigener Bereich gewesen war. Ganz im Gegenteil. Denn das Gerät gehörte ihm . Aber Brenna Spectors Überprüfungen hatten ergeben, dass sich Carol heimlich an dieses Gerät geschlichen hatte, wenn er nicht da gewesen war. Sie hatte mehrfach eine Suchmaschine namens Crysallis.com besucht, aber anscheinend nie benutzt. Was ein weiteres Geheimnis war.
    Er stand auf, um sich das Ölgemälde an der Wand über dem Fernseher anzusehen. Es zeigte den Strand von Saratosa, hatte Carols Großmutter gehört, und Carol hatte mehr als einmal, ein verträumtes Lächeln auf den Lippen, vor dem Bild gestanden, wenn er in den Raum gekommen war. »Woran denkst du gerade?«, hatte Nelson einmal von ihr wissen wollen.
    Und Carol – typisch Carol mit der dicken Backsteinmauer vor ihren Gedanken, die unmöglich zu durchdringen war – hatte knapp erklärt: »An das Bild.«
    Â»Du denkst über dieses Gemälde nach?«
    Â»Es gefällt mir einfach. Das ist alles.«
    Womit hatte Nelson das verdient? Über zwanzig Jahre lang war er gut zu ihr gewesen. Hatte ihr alles gegeben, was sie je gewollt hatte. Sie hatte nie arbeiten müssen. Sie

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