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Dornröschenschlaf

Dornröschenschlaf

Titel: Dornröschenschlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Gaylin
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bei der dritten Wiederholung in ihr Gegenteil verkehrt. Das hieß, es konnte durchaus sein. Ein Gedanke, der ihn angesichts der anderen Dinge, die an diesem Tag bereits geschehen waren, überraschend heftig aus dem Gleichgewicht zu bringen schien. Aber schließlich war er auch ein Mann, der behauptete, die Polizei hätte sein Haus »durchwühlt«, obwohl kaum etwas verändert worden war – der Couchtisch stand ein bisschen weiter links, das Sofa war ein paar Zentimeter nach hinten verrückt, und der geflochtene Teppich lag möglicherweise eine Handbreit dichter an der Wand … lauter Dinge, die man nur bemerkte, wenn man so wie Brenna nie etwas vergaß – oder wenn man unter einer Zwangsneurose litt.
    Â»Warum sollte sie das Haus beobachten?«, hatte er gefragt. »Ich kann ja verstehen, dass sie angerufen hat. Aber weshalb sollte sie mich beobachten ?«
    Auf dem Weg zurück zu ihrem Wagen konnte Brenna einen bohrenden Blick in ihrem Rücken spüren – nicht aus Richtung der Nachbarhäuser oder des kleinen, an die Gärten angrenzenden Wäldchens, sondern aus dem Wentz’schen Haus. Sie drehte sich noch einmal um und nahm im Erker des Wohnzimmers den Schatten eines Mannes wahr, der bei dem Gedanken, dass ein unglückliches, junges Mädchen einen Blick in seine Wohnung warf, panisch nach draußen sah.
    Jetzt näherte sich Brenna der Garage, trat vor die offene Tür und starrte auf die leeren Haken, von denen Nelsons Werkzeug abgenommen und zur Untersuchung ins Labor verfrachtet worden war. Ihr Blick wanderte von der einsamen Bandsäge in einer Ecke zu dem Ölfleck auf dem Garagenboden, und dann dachte sie zurück an Carols Wagen und die grimmige Prozession, die in Richtung der Werkstatt der Spurensicherung aufgebrochen war.
    Plötzlich stieg ihr der Geruch des Todes in die Nase, und auch wenn sie sich nicht sicher war, ob der Gestank der Verwesung immer noch in der Garage hing oder ob er einfach ihrer Erinnerung entsprang, trat sie eilig wieder vor das Tor und lief auf ihren Wagen zu. Ich muss Maya von der Chorprobe abholen, dachte sie.
    Sie drehte sich nicht noch mal zu Nelson um, der suchend in der Dunkelheit nach einer bekümmerten, jungen Anruferin Ausschau hielt, und achtete auch nicht auf das Geräusch, das aus dem kleinen Wald hinter dem Haus an ihre Ohren drang. Es war ein leises Surren, und es wurde von einem leichten, rostigen Quietschen untermalt.
    Erst als sie in ihrem Wagen saß und losfuhr, wurde ihr bewusst, dass dieses Geräusch von den Rädern eines alten Fahrrades verursacht worden war.

13
    Maya war ein eher introvertierter Mensch. In der dritten und vierten Grundschulklasse hatte sie – durchaus passabel – Klarinette gespielt, aber jedes Mal wenn Brenna das erwähnte, verdrehte ihre Tochter die Augen und erklärte: »Also bitte, Mom, du hast mein Klarinettespiel gehasst.«
    Â»Das ist nicht wahr.«
    Â»Ich kann einfach nicht glauben, dass du das sagst. Es ist schließlich nicht so, dass du dich nicht daran erinnern kannst, also lügst du mich eindeutig an.« Irgendwann war es so schlimm geworden, dass Brenna überhaupt nicht mehr von Mayas Klarinette sprach. Aber schließlich war das Mädchen eine Künstlerin, die glücklicher vor einer Leinwand als auf einer Bühne war – weshalb also sollte Brenna ihre Tochter dazu zwingen, sich vor anderen zu präsentieren, vor allem, da sie selbst es ebenfalls immer gehasst hatte, im Rampenlicht zu stehen?
    Dann aber war Maya dieses Jahr urplötzlich ihrem Schulchor beigetreten – der an vier Abenden pro Woche probte – und sie verzichtete dafür sogar auf ihren Comiczeichenkurs und die neue Dr.-Who- Staffel auf BBC America. Bisher hatte Brenna nicht gewusst, was der Grund für diesen Sinneswandel war, aber als sie jetzt hinten in der hell erleuchteten Aula stand und hörte, wie der Chor lautstark We Are the World zum Besten gab, verstand sie es mit einem Mal.
    Mayas Noten lagen direkt vor ihr auf dem Ständer, aber sie hätten auch in einer anderen Schule auf einem anderen Planeten liegen können, denn sie widmete jedes Wort und jede Note dieses Songs einem bärtigen, gut eins achtzig großen, zweiten Justin Timberlake, der das Rampenlicht genoss, als gelte es nur ihm allein. (Himmel, wie alt war der Kerl?)
    Brenna lächelte, als ihre Tochter kurz in ihre Richtung schaute. Maya nickte, doch als Brenna

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