Dornröschenschlaf
saÃ.
»Was machen Sie hier?«, stieà Maya mit zitternder Stimme aus.
Der Mann wirkte nicht weniger entsetzt als sie. »Er hat mich reingelassen. Der ⦠der Assistent. Er hat gesagt, dass ich hier warten soll.«
»Wer sind Sie?«
»Schon gut, Maya.« Brennas Blick fiel auf den kleinen Aktenstapel, der auf dem Schoà des Mannes lag. Die Hefter waren so beigefarben und so verblichen wie sein Gesicht, sein Haar und die wässrigen Augen, aus denen er flehend zu ihr aufblickte. »Das ist ein Mandant von mir. Sein Name ist Nelson Wentz.«
Brenna schlug der Tochter vor, schon mal mit den Hausaufgaben zu beginnen, und zur Abwechslung marschierte Maya ohne Widerrede durch die Küche und den Flur und machte sogar, ohne die Augen zu verdrehen, ihre Zimmertür hinter sich zu. Vielleicht sollte ich Nelson bitten, dass er öfter kommt.
»Ihre Tochter?« Nelson runzelte die Stirn und sah Maya blinzelnd hinterher. »Sie ⦠äh â¦Â«
»Ich weiÃ. Sie sieht mir überhaupt nicht ähnlich.« Und tatsächlich schlug das Mädchen, abgesehen von seiner langen, schlaksigen Gestalt, die sie von Brenna hatte, keinem ihrer beiden Elternteile nach â sie hob sich wie eine nordische, blonde, blauäugige Göttin von ihrer eher südländisch aussehenden Familie ab. »Sie wurde bestimmt bei der Geburt vertauscht«, hatte Jim immer gescherzt, und Brenna hatte es nie sagen wollen, weil sie wusste, wie nahe ihm allein die Erwähnung dieses Namens ging. Aber die einzige Person, die einzige Person in ihren beiden Familien, der Maya auch nur ansatzweise ähnlich sah, war Clea. Und die Ãhnlichkeit nahm täglich zu.
»Was führt Sie zu mir, Nelson?«, fragte Brenna ihren Gast.
Er räusperte sich. »Die Truhe.«
»Was?«
»Erinnern Sie sich noch an Carols Truhe â die mit ihren Quilt-Sachen?«
Brenna nickte.
»Sie ⦠sie hatte einen doppelten Boden. Ein Stück Pappe. Ich habe es herausgenommen, und darunter lagen â¦Â«
Brennas Blick fiel auf das Material in seinem SchoÃ. »Diese Hefter?«
»Ja.« Er hielt sie ihr hin. »Ich möchte sie Ihnen geben, nicht der Polizei.«
Brenna schlug den ersten Hefter auf, überflog das erste Blatt, und während eines Augenblicks saà sie Errol Ludlow gegenüber im Skyline Diner in White Plains. Es ist der 23. Oktober 1998, Errol schiebt ihr einen Hefter über den Resopaltisch, sieht sie mit seinem öligen Lächeln an, und Brenna blickt in seine Augen, die aussehen wie schwarze Oliven, und bekommt vor lauter Schuldbewusstsein einen heiÃen Kopf â¦
Sie knirschte mit den Zähnen und klappte den Hefter eilig wieder zu. »Die Akte Iris Neff.«
Nelson nickte zustimmend. »Sie lag in Carols Truhe. Zusammen mit Fotos von Iris und ihrer Familie, alten Zeitungsausschnitten â¦Â«
»Interessant â¦Â«
»Erst dachte ich, sie wäre von Lydia besessen, weil ⦠Sie wissen schon.«
Brenna nickte stumm.
»Aber nachdem Sie vorhin gegangen waren, habe ich mir diese Sachen noch mal angesehen, Miss Spector. Hab sie mir alle noch mal angesehen.«
»Ja?«
»Und inzwischen glaube ich, dass sie auf der Suche nach Iris war.«
Wieder erinnerte sich Brenna an die Stimme des Mädchens am Telefon und das Quietschen der Räder hinter Nelsons Haus. Es ist meine Schuld ⦠Ja, es wirkte ausnehmend bizarr. Aber trotzdem ⦠trotzdem. »Das glaube ich auch, Nelson.« Jetzt war sie es, die sich räusperte. »Und wissen Sie was?«
Nelson bedachte sie mit einem Blick, in dem eine seltsame Mischung aus Hoffnung und Furcht und allmählichem Verstehen lag. »Was?«
»Ich glaube, dass sie sie vielleicht gefunden hat.«
Nach langem Ãberreden stimmte Nelson zu, dass Brenna Carols Unterlagen Detective Morasco â nur Morasco, keinem anderen Polizisten â zeigte, aber erst, nachdem sie ihm versprach, sich vorher alles einzuprägen, für den Fall, dass irgendeins der Blätter bei dem Mann verschwand.
Sie erklärte ihm, bis morgen hätte sie ein Bild von Iris, wie sie jetzt aussehen müsste, brächte ihm eine Kopie, legte dieses Bild sämtlichen Nachbarn vor, setzte es ins Netz ⦠und falls irgendjemand Iris Neff gesehen haben sollte, während sie in Tarry Ridge herumgelaufen war, dann wüssten sie es bald.
Nach dieser Erklärung schien
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