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Dornröschenschlaf

Dornröschenschlaf

Titel: Dornröschenschlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Gaylin
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den sich Lydia Neff allmorgendlich zurückgezogen hatte, um »am Brunnen zu meditieren«, wie es Brenna von ihrer Nachbarin (und der anscheinend größten Klatschbase des Orts) Gayle Chandler berichtet worden war. Das marmorne GARTEN -Schild war nicht mehr da – wie sicher auch der Garten selbst und all die anderen Elemente des Komplexes, die noch eher bescheiden und dezent gewesen waren. Der eingezäunte Freizeitbereich hatte inzwischen die Größe eines Country Clubs, und die ausgedehnte, tadellos gepflegte, leuchtend grüne Hügellandschaft, in die eine Unzahl Tennisplätze eingebettet waren, hätte eher nach Versailles als nach Tarry Ridge gepasst.
    Die gesamte Anlage wirkte inzwischen irgendwie grotesk – das architektonische Äquivalent einer alternden Diva, die das Opfer eines übereifrigen Schönheitschirurgen geworden war. Und auch wenn sich Brenna noch genau daran erinnern konnte, wie die Anlage vor Jahren einmal ausgesehen hatte, wagte sie es, zu bezweifeln, dass es den Bewohnern des Komplexes ebenso ging. Eine derart schnelle, ungebremste Expansion führte bei den Menschen, die direkt von ihr betroffen waren, häufig zu einer posttraumatischen Amnesie. Wovon reden Sie? Hier sah es immer schon so aus …
    GPS -Lee lotste Brenna höflich an mit Rosenbüschen und kunstvoll gestutzten Hecken verzierten, malachitgrünen Rasenflächen und vier- bis fünfstöckigen Villen mit mehreren Schornsteinen, Zwiebeltürmen und Erkerfenstern, hinter denen elegante Lüster schimmerten, vorbei. Wobei sie in Gedanken ganz woanders war …
    Willis Garvey. Der Name versetzte sie zurück in die zehnte Klasse, in der es nach Zitronenscheuermilch und dem Rosenparfüm ihrer Geschichtslehrerin Mrs Carmody roch. Der kalte, harte Rand ihres metallenen Klappschreibtischs drückte ihr gegen die Knie, während sie verfolgte, wie Sophia DelVechio mit ihrem Referat über Marcus Garvey begann … eine völlig sinnlose Erinnerung, aber das Syndrom machte keine Unterschiede, weshalb Sophia DelVechio in Brennas Gedanken noch ebenso lebendig wie Jim oder Morasco oder Grady Carlson und noch viel lebendiger als ihr eigener Vater und als ihre Schwester Clea war …
    Die Hausnummer 225 der Morning Glory Road schlich sich heimlich an sie an und riss sie fast brutal aus ihrer Erinnerung. Sie war auf Autopilot gefahren und hatte GPS -Lees Anweisungen wie im Schlaf befolgt, während ihr Sophia DelVechios sterbenslangweiliges Referat von Anfang bis Ende durch den Kopf gegangen war. (Wirklich schade, dass sie gerade keinen Vortrag über die Entwicklung der panafrikanischen Bewegung halten musste, denn sonst hätte sie geglänzt.)
    Sie hielt vor dem Garvey’schen Heim. Wie alle anderen Gebäude des Komplexes war es strahlend weiß und geradezu pompös und ragte auf beinahe obszöne Art aus dem eher kleinen Grundstück, das es umgab, heraus. Der Wagen in der Einfahrt war genau die Art Gefährt, die man vor einem solchen Haus erwartete – ein gründlich gewachster, schwarz glänzender Esplanade, Baujahr 2008, dessen Kühlerhaube sich bestimmt völlig problemlos als Make-up-Spiegel benutzen ließ.
    Brenna dachte an das Haus von Nelson Wentz, das, abgesehen von der Küche, alles andere als protzig war, und an Carols Volvo Baujahr 2002, der für seinen langlebigen Motor und die hohe Sicherheit bekannt und seit seiner Zeit im Vorführraum wahrscheinlich niemals mehr mit Wachs in Kontakt gekommen war. Weshalb hatte Carol diese Leute angerufen und dann wieder aufgelegt? Weshalb hatte Carol diese Nummer überhaupt gewählt?
    Brenna drückte auf den Klingelknopf, und eine Frau in Uniform machte ihr auf. Es war eine Sache, eine Haushälterin zu beschäftigen, aber eine völlig andere, sie dazu zu zwingen, dass sie während ihrer Arbeitszeit ein blütenweißes Kleid und eine Latzschürze darüber trug. War das hier etwa ein Theaterstück? Alles, was der Frau noch fehlte, war ein Spitzenhäubchen auf dem Kopf. Die Frau war winzig klein, hispanomerikanischen Ursprungs und vollkommen alterslos. »Kann ich Ihnen helfen?«, fragte sie mit einem argwöhnischen Blick auf Brennas Handtasche, die ihrer Meinung nach anscheinend einen Stapel von Broschüren der Zeugen Jehovas oder Ähnliches enthielt.
    Â»Ich müsste bitte mit Mr oder Mrs Garvey sprechen.« Brenna nahm den Geldbeutel aus ihrer

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