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Dornroeschenschlaf

Dornroeschenschlaf

Titel: Dornroeschenschlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Banana Yoshimoto
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News. Und darin suchst du dir irgendein Jobangebot aus, egal was, und wenn’s nur für ein paar Tage ist. Irgendwas, als Model oder Aushilfe bei irgendeiner Firmenvorführung. Büroarbeit kommt nicht in Frage, dabei schläfst du nur wieder ein. Es muß ein Job sein, bei dem du deine Arme und Beine bewegen mußt. So, und das machst du jetzt. Ich kann’s einfach nicht mehr mit ansehen! Wenn du so weitermachst, gibt’s bald kein Zurück mehr, fürchte ich, und das meine ich ganz ernst!«
    Dazu fällt mir nichts ein, ich kann nur schweigend zuhören. Obwohl sie eindeutig jünger ist als ich, wirkt sie irgendwie schrecklich viel älter. Auch was sie sagt, trifft mich seltsamerweise mitten ins Herz, und ich fühle mich unbehaglich. Sie spricht sehr ernst, aber nicht ärgerlich. Hm, wie soll ich sagen – sie redet auf mich ein, irgendwie verzweifelt und ungeduldig.
    »… Wieso?« murmele ich.
    »Wiedersehen werden wir uns sicher nie mehr. Wir haben uns auch jetzt wahrscheinlich nur treffen können, weil du dich gerade an einem Ort aufhältst, der gar nicht so weit weg ist von mir«, sagt sie. »Es geht mir überhaupt nicht darum, dir nun unbedingt einen Job aufs Auge drücken zu wollen. Viel wichtiger ist, daß deine Seele bis aufs äußerste erschöpft ist. Das betrifft nicht nur dich allein, vielen Menschen geht es so. Nur – bei dir habe ich das Gefühl, daß du wegen mir so erschöpft bist … Es sieht jedenfalls ganz so aus … entschuldige bitte. Ach, verzeih, weißt du überhaupt, wer ich bin?« fragt sie auf einmal, während sie mir direkt in die Augen sieht.
    »Du bist …«, entfährt es mir, und meine Stimme schwillt seltsam laut dabei an. Ich reiße die Augen auf. Vor mir ist keine Menschenseele, es ziehen nur kalte Nebelschwaden vorüber, die den Spielplatz einhüllen und mein Blickfeld verschwimmen lassen.
    Ist alles nur ein Traum gewesen?
    Benommen und mit einem irgendwie unbefriedigten Gefühl stehe ich auf und wanke vom Spielplatz. Einen Moment lang überlege ich allen Ernstes, ob ich tatsächlich zum Bahnhof gehen soll, aber so eine treudoofe Seele bin ich nun doch wieder nicht, nur ziemlich abgedreht. Und selbst wenn es bloß ein Traum gewesen sein sollte, ich kann absolut nichts anfangen mit mir, wenn ich so etwas träume. Was ist bloß los? überlege ich noch den ganzen Weg nach Hause, wo ich mich wieder schlafen lege. Es ist zum Verzweifeln!
     
    Das Erwachen ist fürchterlich.
    Ich bin ausgehungert, sämtliche Knochen tun mir weh, und meine Kehle ist wie ausgedörrt – ich komme mir vor wie eine Mumie. Mein Kopf ist zwar klar, aber körperlich fühle ich mich so schlapp, daß ich nicht aufstehen kann. Außerdem regnet es auch noch.
    Obwohl es zwölf Uhr mittags ist, liegt das Zimmer in schummrig trübem Licht, das Rauschen des Regens schwillt an und ab. Ich habe nicht mal Lust, Musik zu hören, sondern bleibe einfach liegen, höre dem Regen zu und denke an Shiori in ihrem lautlosen Zimmer. Shiori, die in flauschig weichen Kuschelkissen keine Ruhe mehr fand und sich von der schaukelnden Hängematte in den Schlaf wiegen ließ.
    Gerade, als mich eine schier unerträgliche Traurigkeit überfällt, klingelt das Telefon. Er ist es nicht, das weiß ich, aber da ich nun ausnahmsweise mal wach bin, gehe ich ran.
     
    Es meldet sich eine Bekannte aus Unizeiten mit einem Jobangebot für mich: Ihre Firma veranstalte nächste Woche eine Vorführung, und sie rufe an, um mich zu fragen, ob ich nicht mithelfen wolle, nur für eine Woche. Anrufe dieser Art trudeln ständig bei mir ein, von allen möglichen Leuten.
    Die Ablehnung liegt mir schon auf der Zunge. Aber rätselhafterweise sage ich diesmal: »Ja, okay!« Vielleicht weil mich das Zusammentreffen von zwei Zufällen eingeschüchtert hat. Noch im selben Moment, als mir das Okay über die Lippen geht, befällt mich heftige Reue, aber da ist es schon zu spät. Meine Bekannte freut sich und fängt an, mir hastig Treffpunkt und Arbeitsinhalte zu beschreiben. Ich füge mich in mein Schicksal und schreibe mit. An meiner Müdigkeit ändert sich nichts.
     
    Die einfachste Sache der Welt: morgens früh aufstehen, anziehen, das Haus verlassen – mir aber, die ich die ganze Zeit zu Hause gesessen und auf einen Anruf von ihm gewartet habe, fällt das total schwer. Läppische drei Tage Schulung und drei Tage Vorführdienst – für mich ist es die reinste Hölle. Was ich auch zu tun habe, ich bin immer nur müde, die ganze Zeit, so müde, daß ich laufend

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