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Dornroeschenschlaf

Dornroeschenschlaf

Titel: Dornroeschenschlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Banana Yoshimoto
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wegzutreten drohe, egal, ob man mich unter gleichaltrige Frauen steckt, ob ich mir tausend Sachen gleichzeitig merken muß, ob ich meine Texte auswendig zu lernen oder Tätigkeiten im Stehen zu verrichten habe – der schlimmste Alptraum hätte nicht heavier sein können. Ich habe nicht mal Zeit, über irgend etwas nachzudenken. Meine Reue, den Job angenommen zu haben, kennt keine Grenzen.
    Auf der anderen Seite wird mir während dieser kurzen sechs Tage ganz plötzlich bewußt, wie stark so manches in mir irgendwann degeneriert sein muß. Ich habe es schon immer wie die Pest gehaßt zu arbeiten, und an der Haltung, daß mir so ein Job grundsätzlich egal ist, hat sich nicht die Bohne geändert – darum geht es nicht, nein … es geht um so was wie Rückgrat, darum, daß man jederzeit die nächste Sache in Angriff nehmen kann, um so was wie Hoffnung, Wünsche und Erwartungen … ach, ich finde nicht die passenden Worte dafür. Aber das, was ich irgendwann aufgegeben haben muß, ohne es selbst zu bemerken, das, was auch Shiori aufgegeben hatte, muß dieses gewisse Etwas gewesen sein. Mit einem Quentchen Glück hätte Shiori vielleicht auch so noch lange weiterleben können, aber sie war zu schwach, um dem auf Dauer standhalten zu können. Dafür war der Strudel viel zu stark, der sie mit Haut und Haaren in die Tiefe riß.
    Ich bin zwar weit davon entfernt, die Zukunft nun in irgendeiner Weise rosiger zu sehen. Aber mich zu zwingen, um sieben Uhr morgens mit Mühe und Not aufzustehen, überstürzt das Haus zu verlassen und meine müde Seele und meinen müden Körper den ganzen Tag zu schinden, besitzt gegenüber der Qual, den Tag zu Hause zu verpennen, wenigstens den Vorzug der unmittelbaren Lebendigkeit. Ich bin so übermüdet, daß mein Mundwerk schon nicht mehr funktioniert und ich es höchstens ein von drei Malen tatsächlich schaffe, ans Telefon zu gehen, wenn er anruft, und auch das nur mit hängender Zunge, so daß ich eigentlich schon gar keine Lust mehr habe. Den Gedanken, wahrscheinlich wieder in die Rolle der schlafenden Schönheit zurückzufallen, sobald die sechs Tage um sind, fürchte ich wie den Schwarzen Tod, also zwinge ich mich, nur ja nicht daran zu denken. Es gibt sogar Stunden, da denke ich nicht mal an ihn. Unglaublich, aber wahr. Und allmählich merke ich, wie sich diese merkwürdige, wild wütende Müdigkeit langsam, wirklich gaaanz langsam, aus meinem Körper zurückzieht. Meine Füße sind zum Platzen geschwollen, meine Wohnung verdreckt immer mehr, und ich habe schwarze Ringe unter den Augen. Die Arbeit ist ohne Sinn und Zweck für mich, nicht mal das Geld hab ich nötig, sie ist einfach nur verdammt hart.
    Das einzige, was mich trotzdem noch mit knapper Not aufrechterhält, ist jener seltsame Traum, den ich im Morgengrauen auf dem Spielplatz hatte. Jedesmal, wenn morgens um sieben der Wecker und die Stereoanlage gleichzeitig loslegen und ich denke, o nein, muß das sein, ich bin todmüde, laßt mich doch alle in Ruhe …, kommt mir jene Morgendämmerung in den Sinn, und ich kann nicht mehr zurück, denn sonst hätte ich irgendwie das Gefühl, sie zu hintergehen. Blutiger Anfänger und ohne jede Ausdauer, wie ich bin, wäre es mir bestimmt leichtgefallen, alles hinzuschmeißen. Aber diese Augen … diese Augen, die randvoll mit Traurigkeit in weite Ferne blickten, gehen mir einfach nicht mehr aus dem Sinn.
     
    Genau, auch ihm bin ich während eines Aushilfsjobs zum ersten Mal begegnet.
    Es handelte sich um ein großes Designerbüro oder so was, das in einem gigantischen Hochhaus ein unübersehbar riesiges Stockwerk für sich allein beanspruchte, plus allen möglichen Unterabteilungen, aber ich wußte eigentlich nie so genau, was diese Firma in Wirklichkeit machte, jedenfalls nahm ich Telefongespräche entgegen, tippte in die Tasten des Schreibcomputers, gab Daten ein, kopierte, machte Botengänge und so weiter. Ich glaub, es gab mindestens noch zehn andere Leute, die einen ähnlichen Job hatten.
    Ich war nur für drei Monate als Vertretung meines Vetters da, der zu einem Gastfamilienaufenthalt in den USA war, und setzte alles daran, mich nach Möglichkeit blöd anzustellen. Ich will damit gar nicht andeuten, daß ich in Wirklichkeit der absolute Überflieger wäre, aber ich wußte, daß man nur den Schaden hat, wenn man bei solchen Jobs allzu eifrig ist, denn dann bekommt man bloß schnell immer mehr Arbeit aufgebrummt, also hielt ich mich tunlichst zurück. Es gibt nichts Unnützeres als

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