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Dornroeschenschlaf

Dornroeschenschlaf

Titel: Dornroeschenschlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Banana Yoshimoto
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eine Weile vor sich hin. Ich wunderte mich immer wieder über den reinen Klang seiner Stimme, wenn er flüsterte, und über sein ausgesprochen vollendetes Benehmen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich ihn mir noch nie so richtig angesehen. Aber jetzt bemerkte ich auch den Ring an seiner rechten Hand. Ich ging nicht darauf ein, sondern trank weiter meinen Tee, aber in Wahrheit war ich ganz schön enttäuscht darüber, daß er verheiratet war.
    Einmal, als er beim Beine Übereinanderschlagen an eine Untertasse gestoßen war, die über den Tischrand ragte, war ihm das mehr als peinlich, und er entschuldigte sich tausendmal: »Bitte, verzeihen Sie, wirklich, verzeihen Sie!«
    Ich bin sehr empfänglich für derartige Zeichen von Wohlerzogenheit. So was läßt mich richtig schwach werden. Ich meine dann immer, solche Menschen könnten anderen nichts wirklich Schlimmes antun. Drastisch ausgedrückt: Solche Menschen sehen am ehesten so aus, als würden sie sich Leute suchen, die schlimme Sachen machen dürfen.
    Obwohl wir kaum miteinander redeten, war die Stimmung zwischen uns eher gelöst als angespannt. Im Profil machte sein Gesicht einen sehr anständigen, merkwürdigen Eindruck. Manchmal fing er an, mir irgendwas über irgendwelche Sachen zu erzählen. Ich nickte und hörte zu. Und während ich nickte, spürte ich intuitiv, daß dieser Mensch mir sehr viel Zeit meines Lebens nehmen würde. Vielleicht, weil sich alles wie morgens anfühlte, obwohl es längst Abend geworden war. Die ganze Situation – zu zweit um einen Tisch, irgendwie noch schläfrig, mundfaul – hatte etwas Morgendliches. So und ähnlich stellte ich mir noch allerhand zärtliche Dinge vor, die von nun an zwischen uns passieren könnten, aber merkwürdigerweise fielen diese Phantasiebilder alle winterlich aus. Ich sah nur Zimmer mit weiß beschlagenen Fensterscheiben, uns beide beim Spazierengehen in dicken Wintermänteln, Bäume mit kahlen Ästen. Ziemlich herzzerreißend alles.
     
    Die Woche ist mir zwar wie die Ewigkeit vorgekommen, aber auch sie ist irgendwie vorübergegangen. Als ich nach dem letzten Tag nach Hause komme, reiße ich mir erst mal die Kleider vom Leibe, schmeiße die Lohntüte auf den Boden und lache mir ins Fäustchen. Genau in diesem Moment klingelt das Telefon.
    »Hallo, ich bin’s, Iwanaga«, sagt er. Wie habe ich seine Stimme vermißt!
    »Endlich! Kommt mir vor wie eine Ewigkeit, seit wir miteinander gesprochen haben.«
    »Hast du geschlafen?«
    »Von wegen: Ich grinse gerade meine Lohntüte an. Mensch, bin ich kaputt!«
    »Wie bitte? Soll das heißen, daß du gearbeitet hast? Du bist mir eine!«
    »Och, ich hab damit nur ein bißchen die Zeit totgeschlagen«, sage ich, sammle die Kleider auf, die überall verstreut im Zimmer herumliegen, räume sie weg und denke: Diese Nacht schlaf ich mich erst mal aus. Mein Kopf ist hellwach, mein Körper vollkommen k.o. Und wenn ich bis übermorgen schlafe – diesmal wär’s mir total egal.
    »Du hörst dich gut an irgendwie. Wie damals, als wir uns kennenlernten«, sagt er, und es klingt froh. Meine Laune scheint ihn angesteckt zu haben.
    »Apropos kennenlernen, da fällt mir ein«, sage ich, während ich mir den schon blättrigen Nagellack von den Fingernägeln rubbele, »du müßtest deine Frau doch eigentlich kennengelernt haben, als sie noch Oberschülerin war, oder? Und zu der Zeit hatte sie doch bestimmt lange Haare?«
    »Was ist denn mit dir los? Hast du bei dem Job auch noch übersinnliche Fähigkeiten entwickelt? Stimmt jedenfalls, was du sagst: Sie war achtzehn damals«, bestätigt er verwundert.
    »Hab ich mir doch gedacht!« sage ich, und plötzlich füllen sich meine Augen mit Tränen. Tränen, die ich mir selbst nicht erklären kann.
    »Aber was anderes …«, beginnt er, und während ich seiner Stimme lausche, die mir den Treffpunkt für unser Feuerwerk-plus-Aalessen-Projekt durchgibt, verschwimmt mir in der heißen Flut meine Hand auf dem Notizzettel und überhaupt das ganze Zimmer vor den Augen, und alles glitzert gebrochen hell.
     
    Die superbreite große Straße, die zum Flußufer führt, ist längst für den Verkehr gesperrt. Die Menschenmassen, die sich flußwärts zum Feuerwerk bewegen, beanspruchen die gesamte Straßenbreite. Die Leute tragen Yukatas, haben die Kinder huckepack genommen und strömen alle mit gelegentlichen Blicken hinauf zum Himmel lachend und lärmend in dieselbe Richtung, genau wie beim Gion-Fest in Kyoto. Bei solchen Szenen war ich noch nie live

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