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Dornroeschenschlaf

Dornroeschenschlaf

Titel: Dornroeschenschlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Banana Yoshimoto
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dabei, und ich spüre, wie meine Gefühle sich überstürzen. Die Gesichter der Leute, voll freudiger Erwartung, wann denn nun das erste Feuerwerk am Himmel explodieren und herunterregnen würde, sehen unglaublich fröhlich aus.
    »Tja, zum Fluß werden wir wohl nicht kommen, wie’s aussieht. Guck mal, alles total zu und voll überall!« sagt er hörbar enttäuscht, und ich schaue von der Seite zu ihm auf: Schweißperlen rinnen ihm die Schläfen hinunter.
    »Ist doch egal, ein bißchen können wir auch von hier aus sehen, oder?« sage ich.
    »Vielleicht auch nicht, wenn wir keinen erhöhten Platz finden.«
    »Auch egal, solange wir nur das Knallen und Zischen hören können.«
    Ich stelle mich auf die Zehenspitzen: Weiter vorne hat sich eine Menschenschlange gebildet, die sich über die Brücke zieht; die Böschungen zu beiden Seiten des Flusses sind schwarz von Menschen. Tiefes Indigoblau senkt sich langsam auf den Horizont, der Abendhimmel bekommt unendliche Weiten. Unten in der Dunkelheit stehen Polizisten auf ihren Posten, und die Leute trotten weiter, als hingen sie an einem Seil, an dem irgendwo vorne jemand zieht; wir aber bleiben einfach stehen, kurz bevor die Menschenschlange beginnt.
    Wichtig ist nicht das Feuerwerk, wichtig ist, daß wir beide hier, in dieser Nacht, zusammen sind und zusammen in den Himmel blicken. Daß wir Arm in Arm dastehen und beim ersten lauten Knall des Feuerwerks mit allen anderen Leuten um uns herum die Köpfe in die gleiche Richtung heben würden. Angesteckt von der allgemeinen Aufregung um mich herum pocht mir das Herz bis zum Hals. Ich sehe ihn von der Seite an: Er scheint sich nun wirklich in den Kopf gesetzt zu haben, das Feuerwerk zu sehen, und sein erwartungsvolles, ungeduldiges Gesicht sieht plötzlich wieder viel jünger aus.
    Ich glaube, das gesunde Gefühl ist mit einemmal wieder eingekehrt in mein Herz. Die beste Freundin verloren, vom Alltag zermürbt – auch wenn es sich bei dem, was ich erlebt habe, vielleicht bloß um kleinere Turbulenzen des Seelenlebens handelt, um eine nette kleine Geschichte vom Wiedererwachen aus tiefem Schlaf: Ich muß doch sagen, alles in allem ist der Mensch ziemlich hart im Nehmen. Ich kann mich zwar nicht entsinnen, ob ich Ähnliches nicht schon früher besessen habe, aber als ich so alleine mit der Finsternis in mir konfrontiert war, als ich tief verletzt war, innerlich zerrissen und zu Tode erschöpft schien, da war sie plötzlich da, wer weiß woher: diese ungeheure Stärke.
    Ich habe mich nicht verändert, und an der Situation zwischen uns hat sich ebenfalls nicht das mindeste geändert, aber ich glaube, ich möchte für immer bei ihm bleiben, trotz all der kleinen Turbulenzen, die da noch kommen mögen. Das Schlimmste haben wir jetzt überstanden, denke ich, fürs erste jedenfalls. Ich kann zwar nicht mal genau sagen, was das war, »das Schlimmste«, aber zumindest habe ich das Gefühl, daß es vorbei ist. Und deshalb könnte ich mir mittlerweile sogar vorstellen, mich in jemand anderen zu verlieben.
    Aber ich glaube nicht. Ich möchte mich wieder so richtig toll und lebendig verlieben in den großen Mann, der gerade jetzt neben mir steht. In den Mann, den ich liebe, sehr sogar. Ich will alles festhalten, und sei’s nur mit diesen dünnen Ärmchen, mit diesem schwachen Herzen. Ich bin fest entschlossen, mich irgendwie allem, was von jetzt an noch an Schrecklichem auf uns zukommen wird, und mag es noch so viel sein, mit allem, was mein schwacher Körper aufzubieten hat, entgegenzustemmen.
    Uaah, irgendwie, als hätte ich gerade eben erst die Augen aufgemacht, sieht plötzlich alles so klar und schön aus, daß ich fast erschrocken bin. Wirklich, wunderschön. Die vielen Leute, die durch die Nacht wandern, die vielen Lampions, die entlang der Arkaden leuchten, er, wie er so dasteht im angenehm kühlen Wind und geradewegs in den Himmel blickt, die Stirn vor Ungeduld und Spannung in Falten gelegt.
    Mit diesen Gedanken fühle ich plötzlich Tränen in mir aufsteigen, weil alles so perfekt ist, mehr als perfekt. Wohin ich meine Blicke auch schweifen lasse in dieser Szenerie, nichts als wunderbare Dinge um uns herum – ach, ich bin froh, gerade jetzt und hier aufgewacht zu sein. Die große Straße, auf der sich sonst die Autos stauen, hat sich nur für diese eine Nacht in einen riesigen Rummelplatz verwandelt, und wir stehen mittendrin, warten auf das Feuerwerk, werden gegrillten Aal essen und miteinander schlafen können. – Ich bin

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