Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dornroeschenschlaf

Dornroeschenschlaf

Titel: Dornroeschenschlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Banana Yoshimoto
Vom Netzwerk:
störe«, hatte ich mich in holprigem Englisch entschuldigt. – »Ach was, ist schon okay, mit so einem Aufsatz bin ich in fünf Minuten fertig. Dann hast du doch mehr Zeit, um die anderen Fächer abzuhaken.« So etwas in der Art hatte sie gesagt, in ihrem fließenden Englisch, mit zauberhafter Stimme und wallendem blonden Haar, und gelächelt hatte sie. – »Ah, also der Titel des Aufsatzes heißt: ›Mein Tagesablauf.‹ Es würde schon reichen, wenn du mir alles in ganz einfachen Worten schreiben könntest. Mach die Sätze aber nicht so kompliziert, sonst kommt raus, daß ich es nicht selbst geschrieben habe. Etwa so wie dieser Beispieltext hier, das wäre schon okay«, hatte ich, so gut es eben ging, erklärt.
    »Also los: Wann stehst du morgens auf, Shibami? Frühstückst du japanisch? Oder ißt du Brot? Und was machst du nachmittags?«
    Solche Fragen stellte sie mir, und in Null Komma nichts hatte sie den Aufsatz fertig. Als mir beim Anblick des Manuskriptpapiers rausrutschte: »Oh, in so einer schönen Schrift kann ich das aber nicht abgeben, das muß ich noch mal mit meiner Klaue schreiben!«, hatte Sarah laut gelacht.
    So wurden wir allmählich immer lockerer und unterhielten uns über Gott und die Welt. Es war ein angenehm luftiger Abend, die Glöckchenzikaden zirpten. Die Ellbogen auf das niedrige Eßtischchen gestützt, das ich ihr in mein Zimmer gestellt hatte, hatte Sarah meinen Aufsatz geschrieben. Mit einem Schlag war aus meinem Zimmer eine seltsame, wie in leuchtende Farben getauchte Welt geworden. Gold und Blau. Weiße, fast durchscheinende Haut. Ihr markantes Kinn, wenn sie mir direkt in die Augen sah und nickte.
    Wie die schwarzen Schiffe! { * } ’, dachte ich. Es war das erste Mal, daß ich mit jemandem aus dem Ausland so nah zusammensaß und redete. Ganz plötzlich, wie aus heiterem Himmel, war sie da, mitten in meinem Zimmer. Der Wind trug die traditionelle Musik vom Sommerfest herüber. Der Himmel war schwarz, und am fernen Firmament stand ein voller Mond. Durchs weit geöffnete Fenster wehte ab und zu ein Lüftchen herein.
    »Gefällt es dir in Japan?«
    »Ja, sehr. Ich habe hier schon viele Freunde gefunden. An der Uni. Und dann noch die Freunde von Yoshihiro. Ich glaube, dieses Jahr wird mir unvergeßlich bleiben.«
    »Was gefällt dir eigentlich an meinem Bruder?«
    »Yoshihiro ist ein richtiges Energiebündel, unweigerlich zieht er alle Blicke auf sich. Aber es wäre zu einfach, das nur als energiegeladen zu bezeichnen. Ich habe ein aus seinem Innern hervorsprudelndes, unerschöpfliches Etwas gespürt, eine starke geistige Energie. Allein dadurch, daß wir zusammensind, kann auch ich mich im Nu verändern – so ein Gefühl habe ich bei ihm. Ein Gefühl, als könnte ich auf eine völlig natürliche Weise an einen Ort weit in der Ferne gelangen.«
    »Was studierst du eigentlich, Sarah? Gehst du bald zurück an die Uni in Boston?«
     
    » Ich studiere Japanologie. Und in einem Jahr fahre ich wieder nach Hause zurück … Die Trennung von Yoshihiro, das wird zwar traurig werden, aber meine Eltern lieben Japan und kommen oft hierher, und auch Yoshihiro hat gesagt, er möchte mal nach Amerika kommen. Also werden wir uns bestimmt treffen können. Im Moment bin ich voll damit beschäftigt, Japanisch zu lernen. Aber das Studieren ist für mich eher eine Art Hobby, weißt du? Ich werde es wohl nie ganz aufgeben, aber eigentlich möchte ich eine gute Mutter werden, so wie meine Mutter. In diesem Sinne interessiere ich mich sehr für die japanischen Frauen. Ich selbst kann mich in vielen Dingen viel eher mit den Japanese girls identifizieren als mit amerikanischen Mädchen. Denn für typisch amerikanisch halte ich mich nicht. Später werde ich bestimmt einen Geschäftsmann heiraten, ja, einen im international business, so wie mein Vater. Und dann möchte ich eine fröhliche, ordentliche Familie gründen.«
    »Yoshihiro … es besteht zwar die Möglichkeit, daß er etwas Internationales wird, aber ob er sich zum Geschäftsmann eignet?«
    »Hahaha, da hast du recht, sie würden ihn gleich feuern. Er führt sich ja ziemlich egozentrisch auf, nicht wahr?«
    »Na ja, schließlich ist er noch Oberschüler, vielleicht ändert er sich noch. Es wäre doch schön, wenn er sich mal für so eine Arbeit interessieren würde, oder? Vielleicht kannst du ihn ja dazu bringen?«
    Ganz kindlich sagte ich Dinge, die ferner lagen als ein Traum. Aber auch Sarah verhielt sich wie ein Kind, als ob sie all dies

Weitere Kostenlose Bücher