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Dornroeschenschlaf

Dornroeschenschlaf

Titel: Dornroeschenschlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Banana Yoshimoto
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träumte, in aller Seelenruhe, unangefochten von der Wirklichkeit. Ihr kerzengerader Rücken, ohne Angst vor der Zukunft. Sarah lachte leise und sprach wie im Traum. Sie hatte furchtlose Augen, die, gerade frisch ver liebt, allein Yoshihiro sahen. Augen, die noch glaubten, daß alle Träume in Erfüllung gehen, daß sich die Wirklichkeit bewegt, wenn man sie anstößt.
    »Ja, es wäre toll, wenn es Yoshihiro wäre. Dann hätte ich eine Familie in Japan und eine in Boston und könnte immer hin- und herfahren. Das war überhaupt oberklasse, nicht? Ich mag Japan sehr, und wenn Yoshihiro Boston gefallen würde, hätten wir jeder zwei Länder, das könnte ich mir gut vorstellen. Und dann Kinder, die zweisprachig aufwachsen …! Und Reisen mit der ganzen Familie. Zu schön, um wahr zu sein, nicht …?«
    Das mit Sarah war schon ziemlich lange her. Ohne auch nur im geringsten an sie zu denken, ohne zu wissen, was sie jetzt wo machte und wie es ihr überhaupt ging, fiel mir an diesem ganz normalen Tag unvermutet der Brief an sie in die Hände. Ein zusammengeknülltes Blatt Papier, das aus der hintersten Ecke des Schreibtischs, aus der tiefsten Finsternis der Schublade zum Vorschein kam. Was ist das wohl? Mit diesem Gedanken hatte ich es herausgefischt, und indem ich das Blatt auseinanderfaltete, schien sich mit dem Rascheln des Papiers ein langjähriger Bann langsam in Luft aufzulösen. Damit fing vermutlich alles an.
     
    Liebste Sarah, es war Frühling, als ich zum Flughafen fuhr, um meinen Bruder zu verabschieden. Als wir ankamen, warteten Yoshihiro und seine Freundinnen – oh, entschuldige, er hatte damals viele Freundinnen –, herausgeputzt wie bunte Blumen, schon auf uns. Der Himmel war ganz blau, und angesteckt von der Superlaune meines Bruders, der sich auf die Reise freute, waren wir alle ausgelassen. Es war richtig fröhlich. Alle beglückwünschten ihn zu Eurer Liebe. Merkwürdig ist es schon, aber mein Bruder hat das Talent, jeden sofort von allem, was er tut, zu überzeugen. Aber das weißt Du ja selbst. Es war gerade Kirschblütenzeit, und ich erinnere mich, wie überall Blütenblätter zu Boden fielen, die zu leuchten schienen.
    Yoshihiro läßt selten von sich hören, aber das heißt wohl, daß es ihm ganz gut geht. Laß es Dir selbst auch gut gehen. Und komm doch mal wieder nach Japan! Ich freue mich schon darauf, Dich wiederzusehen!
     
    Shibami
     
    Als ich noch klein war, bin ich mal abends mit meinem Bruder und unserer Cousine Mari ë einen Weg entlangspaziert. Die Verwandtschaft hatte sich zu einer buddhistischen Totenmesse oder so versammelt. Gelangweilt waren wir drei ausgerückt und wanderten ziellos durch die Gegend.
    Wir liefen die Uferböschung nah beim Elternhaus meines Vaters entlang, weit entfernt versank das gegenüberliegende Flußufer in der Abenddämmerung. Schon bald würden sich die Lichter des Ortes im Fluß spiegeln. Man konnte richtig zuschauen, wie ganz langsam die durchscheinende, in Indigoblau getauchte Luft aufstieg. Der Himmel schimmerte noch hell, alles war nur noch schwer voneinander zu unterscheiden – und es war wunderschön.
    Ich erinnere mich nicht mehr genau, worüber wir zuvor gesprochen hatten, aber Yoshihiro sagte zu mir: »Um es mal auf den Punkt zu bringen: Du bist einfach noch viel zu naiv.«
    Ich hatte behauptet, daß ich später mit Sicherheit Unternehmerin werden oder in eine reiche Familie einheiraten würde. Denn zweifelsohne könnte auch ich, hätte ich nur genügend Geld, genauso elegant wirken wie unsere Tante Reiko, die eine gute Partie gemacht hatte und nun mit einem Unternehmer verheiratet war. Sie war wunderschön in ihrer Trauerkleidung, und ihre echte Perlenkette war herrlich. Yoshihiro redete weiter:
    »Du wirst deine Naivität in diesem unsinnigen Leben allmählich verlieren, das ist sicher, und dann werden dir schöne Kleider und Perlen nicht mehr so herrlich vorkommen wie jetzt. Das Problem liegt gerade im Verlust dieser kindlichen Unschuld. Man darf niemals auf der Stelle treten. Man muß seinen Blick immer in die Ferne richten im Leben, immer!«
    »Willst du denn weg von zu Hause!?« fragte ich.
    »Mensch, du Nervensäge, es geht nicht darum, sich körperlich zu entfernen, als ob du das nicht längst kapiert hättest! Und außerdem leben wir noch zu Hause, weil wir Kinder sind. Aber schon bald können wir gehen, wohin wir wollen.« Yoshihiro lachte.
    In diesem Moment sagte Mari ë verträumt: »Ich möchte doch lieber einen reichen

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