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Dornroeschenschlaf

Dornroeschenschlaf

Titel: Dornroeschenschlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Banana Yoshimoto
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habe, auch nicht diesem offensichtlichen Weiberhelden geben wollen.
    Zwei Phasen hatte ich in ihrer Beziehung gesehen: die Zeit, als sich die beiden immer stärker ineinander verliebten, ohne daß jemand etwas ahnte; und die Zeit, nachdem alles rausgekommen und von Mariës Eltern unterbunden worden war und die beiden sich nur noch heimlich trafen. Der Unterschied war so gigantisch wie der zwischen Tag und Nacht. Aber sie schienen trotzdem wirklich glücklich: Yoshihiro, der anfing, Gefallen an diesem Gigantischen zu finden, und Marië, die sich mit dem entsprechenden thrill diebisch über alles freuen konnte, was sie ohne Wissen ihrer Eltern tat.
     
    Zweimal Klingeln – das war Mariës Zeichen für »Ruf mich an!«.
    Die leichten Schritte Yoshihiros, der dann zum Telefon ging.
     
    Mein Bruder hatte einen Verkehrsunfall und ist noch in der Ambulanz gestorben. Das passierte unterwegs zu einer Verabredung mit Marië, von der wir zufällig nichts wußten. Mein Vater ist Chirurg an einem großen Krankenhaus. Hätte man das damals gewußt und Yoshihiro sofort zu ihm gebracht, hätte er vielleicht gerettet werden können – das hinterließ einen ganz schön bitteren Nachgeschmack!
    Daß Marië so schrecklich tief fiel, begann, glaube ich, mit dem »Warten auf Yoshihiro«. In einem Café vor dem Bahnhof hatte sie auf ihn gewartet. Der Laden, den alle als Treffpunkt benutzten, war hell und freundlich. Mehrmals bestellte sie Kaffee nach, aß zwei Stück Kuchen, trank einen Lemon Squash, aß ein Eis … Ganze fünf Stunden wartete sie. Dann trottete sie geknickt nach Hause und erfuhr vom Tod ihres Freundes.
    Später erzählte mir Marië mal davon: »Es war, als wäre mein Magen pechschwarz, wie ein schwarzes Loch im All. Egal, was man hineinwarf, egal, wieviel, und egal, was, alles verschwand einfach spurlos. Die ganze Zeit über waren all meine Sinne auf die Tür gerichtet. Auch als ich ein paar Zeitschriften durchblätterte, war ich überhaupt nicht bei der Sache. Nervös überflogen meine Augen bloß die Zeilen. Und gerade jetzt kamen mir nur die dunklen Seiten in den Sinn, die Yoshihiro bisher an den Tag gelegt hatte. Und je mehr Zeit verging, desto stärker spürte ich, wie sich diese schwarzen Flecken überall in mir ausbreiteten, und wie alles zusammenbrach. Als ich nach Hause ging, war es schon dunkel. Und dieses schwarze Etwas, das so schwer war, daß ich kaum aufrecht stehen konnte, schleifte ich mit. Zu Hause angekommen, würde ich mich hinlegen und auf einen Anruf warten, überlegte ich. Es muß einen Grund geben. Wenn ich ihn nur sprechen könnte, würde ich verstehen, warum …, dachte ich wieder und wieder.«
    Mariës Seele, im Warten eingesperrt.
     
     
    »Tja, soll’n wir mal langsam?« Ken’ichi stand auf.
    »Also, auf jeden Fall freu ich mich total, daß ich das Geld zurück habe. Das kommt mir vor wie ein Traum.«
    »Jetzt übertreibst du aber!« Ken’ichi lachte. Wir schlängelten uns zwischen den Sofas hindurch und gingen über den Teppich in Richtung Ausgang. Ich ließ meine Blicke schweifen, um Sarah doch noch irgendwo zu entdecken. Da – an der Rezeption stand eine blonde Frau, mit dem Rücken zu mir, die Sarah von hinten sehr ähnlich sah. Die Kleidung, die Frisur, die Figur.
    »Entschuldige«, sagte ich zu Ken’ichi. »Ich hab da drüben gerade eine Bekannte entdeckt. Ich sag dir also hier schon mal tschüs.«
    »Gib mir Bescheid, wenn du wieder ein neues Gerücht hörst!« meinte er und ließ mich allein.
    Um das Gesicht dieser Frau sehen zu können, stakste ich unsicher näher. Ich war ziemlich stark abgelenkt von dem eigentümlichen Gefühl, über diesen dicken Teppich zu lavieren. Daher hatte ich den Jungen nicht bemerkt, bis mir etwas mit einem Bums vor die Hüfte prallte. Ich strauchelte und fing mich wieder. Als ich mich umdrehte, um zu sehen, was das eigentlich gewesen war, kullerte da ein kleiner ausländischer Junge über den Teppich. Ich nahm ihn bei den Händen und stellte ihn auf. Das Kind blickte mich an:
    »Sorry.«
    In dem Moment, als ich dem Kind in die Augen sah, überfiel mich ein schreckliches Herzklopfen. Braune Haare hatte es, und dunkelbraune Augen. Ganz langsam stellte ich meinen Blick noch einmal scharf auf den Jungen ein und starrte ihn weiter an. »Keine Frage, das Kind von Sarah, das Kind von Yoshihiro!« flüsterte es in meinem Innern, wieder und wieder.
    Solche Augen hatte ich sonst noch nirgendwo gesehen. Ein unerschrockenes, starkes Leuchten, Züge mit leicht

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