Dornteufel: Thriller (German Edition)
Polizei- und Rettungswagen vorfuhren.
Die Sanitäter konnten nur noch den Tod der beiden Frauen feststellen, deren Identität von den Beamten kurze Zeit später ermittelt wurde: Es waren Rebecca Stern und Catherine Almond.
Weiter oben am Hang sah man Suchscheinwerfer und hörte vereinzelt Stimmen hallen. Obwohl Julia so erschöpft war, dass sie kurz vor einem Zusammenbruch stand, hatte sie darauf bestanden, die Suchmannschaft zu der Stelle zu führen, wo sie Robert Parminski hatte zurücklassen müssen.
B IHAR , I NDIEN
Gundula Keller wachte auf, weil sie leise Schritte neben ihrem Bett hörte. Seit sie in dem Forschungszentrum im indischen Bihar lebte, war ihr Schlaf leichter geworden. Und seit ihr Kollege Tjorven Lundgren gestorben war, sah sie in Indien nicht mehr nur das fremde, bunte Abenteuer, sondern auch eine Welt voller Gefahren. Sie blinzelte orientierungslos in die Dunkelheit: Das Fenster, durch dessen Jalousien die ganze Nacht über das Licht der Außenbeleuchtung vor ihrem Apartmenthaus schien, befand sich merkwürdigerweise auf der falschen Seite. Und ein Schatten bewegte sich davor. Der Umriss eines Mannes … Dann fiel es ihr wieder ein.
Die Erkenntnis, dass sie sich in Barrys Apartment befand und nicht in ihrem eigenen, nahm der Situation die Bedrohlichkeit. Sie erinnerte sich wieder: zu viel Alkohol im Garden Restaurant und daran anschließend leicht verklemmter Sex in Barrys Bett. Danach war Gundula sofort eingeschlafen. Beinahe schade, denn Barry war nicht nur mit, sondern auch ohne Klamotten eine Augenweide.
»Hey«, flüsterte sie. »Was ist? Warum schleichst du herum?«
»Ich dachte, ich hätte was gehört da draußen.«
»Hier hört man ständig irgendwas. Komm wieder ins Bett.«
»Warte …« Er bog die Jalousien auseinander und linste hinaus in den kleinen Park, der vor ihrem Apartmenthaus lag. »Wie spät ist es eigentlich?«
Gundula rollte sich zur Seite und zog seinen Wecker zurate: »Vier Uhr morgens. Die berühmte Wolfsstunde.«
»Da laufen lauter Leute rum …«
»Leute?«
»In Uniform. Sie sind bewaffnet.«
»Du spinnst.« Gundula erhob sich und stellte sich neben ihn ans Fenster. »Das ist bestimmt nur unser Wachdienst.«
»Doch nicht gut fünfzig Mann, oder?«
Als auch sie das erblickte, was Barry sah, floss es wie ein kühler Schauer über ihren nackten Körper und hinterließ eine Gänsehaut. Die Gestalten kamen von beiden Seiten, aus Richtung des Tores und des Verwaltungstraktes. Zwei Menschenketten, uniformiert und bewaffnet.
»Wie kommen die denn hier rein?«, flüsterte sie aufgeregt. »Wo ist unser Wachdienst, und warum gibt es keinen Alarm?«
»Gibt es ja«, antwortete Barry und deutete auf ein rhythmisch aufblinkendes, orangefarbenes Licht zwischen den Bäumen, dessen Quelle sich irgendwo in der Nähe des Haupteingangs befinden musste.
»Mist. Was sollen wir tun?«
»Abwarten. Bleibt uns nicht viel anderes übrig. Oder willst du vielleicht die Polizei verständigen?«
»Ich denke, das ist die Polizei«, sagte Gundula, die völlig gebannt war von dem Bild, das sich ihr dort draußen bot.
Sie hörte es neben sich rascheln und drehte sich um. Barry zog sich an. Gundula wollte seinem Beispiel folgen und klaubte ihre verstreut liegenden Sachen zusammen, mit denen sie dann im Badezimmer verschwand. Hastig kleidete sie sich an. Als sie sich kaltes Wasser ins Gesicht klatschte, erklang die Durchsage. Bisher war ihr gar nicht bewusst gewesen, dass in jedem Apartment Lautsprecher installiert waren, mit deren Hilfe die Zentrale zu allen Bewohnern des Forschungszentrums Kontakt aufnehmen konnte. Sogar in den Badezimmern …
»An alle Mitarbeiter: Dies ist eine Routine-Kontrolle. Es besteht keine Gefahr! Bitte bewahren Sie Ruhe und begeben Sie sich zu den offiziellen Sammelpunkten auf dem Gelände. Wenn Sie den Anweisungen der Polizei Folge leisten, wird Ihnen nichts geschehen. Es besteht keine Gefahr!« Die Durchsage wurde auch in Hindi gesprochen.
Gundula stand wie erstarrt am Waschbecken. Die wiederholte und emotionslos vorgetragene Beteuerung »Es besteht keine Gefahr!« löste ein seltsames Grauen in ihr aus. Hatte man nicht auch die Leute im zweiten Turm des World Trade Centers aufgefordert, ruhig an ihrem Arbeitsplatz auszuharren, nachdem der erste Turm von dem Flugzeug getroffen worden war? Bestimmt hatte es da auch geheißen, es bestünde keine Gefahr. Sie riss sich von ihrem Spiegelbild – ein leichenblasses Gesicht, umrahmt von feuerroten, zerzausten
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