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Dostojewskijs Entwicklung als Schriftsteller: »Vom Toten Haus« zu den »Brüdern Karamasow« (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Dostojewskijs Entwicklung als Schriftsteller: »Vom Toten Haus« zu den »Brüdern Karamasow« (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Dostojewskijs Entwicklung als Schriftsteller: »Vom Toten Haus« zu den »Brüdern Karamasow« (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst-Jürgen Gerigk
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Linienbataillon in Semipalatinsk. Dort 1855 Beförderung zum Unteroffizier und 1856 Beförderung zum Fähnrich. 1859 Entlassung in die Freiheit aufgrund seiner Bittschrift Anfang März 1858, seine Epilepsie betreffend, an den Zaren Alexander II.
    Rückkehr ins literarische Leben. 1862 erste Reise ins Ausland, auf die weitere folgen. Ablehnung Westeuropas. Viele Aufenthalte in Deutschland, dort in den Spielcasinos von Bad Homburg, Wiesbaden und Baden-Baden. 1864 Tod des Bruders Michail. Zweimal verheiratet: ab 1857 mit Marja Dmitrijewna Isajewa (die 1865 stirbt). Ab 1867 Ehe mit Anna Grigorjewna Snitkina. Von 1861 bis 1865 intensive Beziehung zu Apollinaria Prokofjewna Suslowa. Kinder, alle aus der zweiten Ehe mit Anna Grigorjewna: Sonja, Ljubow (= Aimée), Fjodor und Alexej. Sonja stirbt bereits zwei Monate nach der Geburt. Alexej wird nur knapp drei Jahre alt.
    Hinterlassenschaft: 18 Bände literarische Werke (einschließlich der Werkstattnotizen), 9 Bände publizistische Schriften, darin auch (in seiner Monatsschrift »Tagebuch eines Schriftstellers«) die Erzählungen Bobok , Der Knabe bei Christus zur Weihnacht , Der Bauer Marej , Die Hundertjährige , Die Sanfte , Der Traum eines lächerlichen Menschen ; 4 Bände Briefe, insgesamt 923 plus offizielle Schreiben, darunter zwei an den Zaren Alexander II. Gesamtausgabe: F. M. Dostoevskij: Polnoe sobranie sočinenij. 30 Bände. Herausgegeben von V. G. Bazanov und G. M. Fridlender. Leningrad: »Nauka« 1972–1990. [156]  
    Es sei nun Dostojewskijs Entwicklung als Schriftsteller inmitten seiner wechselnden und so unsteten Lebenssituationen als eigenständiger Prozess in seiner Kohärenz und Dynamik sichtbar gemacht. Es geht um den roten Faden einer Lebenslinie, die ganz von der Obsession praktizierter Erzählkunst beherrscht wird.

Dostojewskijs Entwicklung als Schriftsteller
    Dostojewskijs erste Veröffentlichung war seine Übersetzung des Romans Eugénie Grandet von Balzac im Jahre 1844. Dostojewskij war dreiundzwanzig Jahre alt. Sein Name als Übersetzer wurde nicht genannt. Die Übersetzung erschien in zwei Folgen in der Zeitschrift »Repertuar i Panteon« und ist inzwischen im ersten Band der neuen großen russischen Gesamtausgabe der Werke Dostojewskijs in der alten Orthographie (die Lenin 1918 abgeschafft hatte) gut greifbar (Petrosawodsk 1995, S. 415–577). [157]   Es wäre zwar übertrieben zu sagen: so lernte Dostojewskij schreiben. Und doch war ihm der enge Textkontakt, den das Übersetzen herstellte, gewiss eine Vorübung dafür, selbst einen Roman zustande zu bringen. Sein erster Roman, Arme Leute , erschien denn auch im Jahre 1846. Bereits 1844 schrieb er daran.
    Wie man Romane schreibt, konnte er von russischen Autoren nicht lernen. Da mussten ihm automatisch die großen Franzosen als Vorbilder in den Blick kommen, neben Balzac Victor Hugo und George Sand und nicht zuletzt auch Eugène Sue, über dessen Erfolgsroman Les mystères de Paris ( Die Geheimnisse von Paris ), der 1844 auf Russisch erschien, der maßgebende Literaturkritiker der Zeit, Wissarion Belinskij, sofort eine ausführliche Rezension in der Zeitschrift »Vaterländische Annalen« schrieb, worin es heißt: »Eugène Sue war jener Glückspilz, der als erster auf den Gedanken kam, mit dem Namen des Volkes eine vorteilhafte literarische Spekulation ins Werk zu setzen.« [158]   Damit wurde etwas angesprochen, was auch für den jungen Dostojewskij in der Luft lag. Erfolg im literarischen Feld war sichtlich an ganz bestimmte thematische Bedingungen geknüpft.
    Es kam darauf an, diese Bedingungen auch erzähltechnisch publikumsgerecht zu bewältigen. Die Zeit Byrons, die den Versroman zur Blüte brachte, war vorbei. Puschkin konnte sich mit seinem Eugen Onegin noch auf Byrons Childe Harold berufen, beides Versromane auf dem jeweils neuesten Stand der literarischen Kunst. Andererseits aber war sich Dostojewskij sofort über den korrumpierenden Charakter der öffentlich geforderten sozialkritischen Volksnähe im Klaren. Das Künstlerische durfte nicht auf der Strecke bleiben. Und das bedeutete für ihn ein rücksichtsloses Experimentieren mit literarischen Darstellungsformen. Russland verfolgte die literarische Situation in Westeuropa mit höchster Aufmerksamkeit. Dostojewskij selbst nahm vor allem den Publikumsliebling Alexandre Dumas kritisch unter die Lupe, der mit den Drei Musketieren (1844) und dem Grafen von Monte Christo (1845) auch in Russland gut ankam. Zeit seines

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