Double Cross. Falsches Spiel
Ismay, und zwei Generäle aus Eisenhowers Stab, die wie versteinert dasaßen.
Die Besprechung begann in einer herzlichen Atmosphäre, doch schon nach wenigen Minuten erhitzten sich die Gemüter.
Eine Seite machte der anderen Vorwürfe und beschuldigte sie, die Sache schleifen zu lassen, vereinzelt kam es sogar zu persönlichen Beleidigungen, die gleich wieder zurückgenommen wurden. Ihr Briten habt die Bauzeit zu optimistisch eingeschätzt! Ihr Amerikaner seid zu ungeduldig, zu ja, ihr seid einfach zu amerikanisch. Der Zeitdruck war schuld, darin waren sich alle einig, und so fing man noch einmal von vorne an.
Der Erfolg der Invasion hing davon ab, daß die künstlichen Häfen zweiundsiebzig Stunden nach der Landung der ersten Truppen errichtet und betriebsfähig waren. In Anbetracht der Tatsache, daß bis zum Tag X aber nur noch drei Monate blieben, war man mit dem Projekt Mulberry beinahe hoffnungslos in Verzug geraten. Schuld sind diese verdammten Phönixe, klagte ein englischer Offizier, der an einer Komponente von Mulberry arbeitete, bei der es schneller voranging.
Doch er hatte recht: Beim Bau der riesigen Senkkästen aus Beton, die das Rückgrat des gesamten Projekts bildeten, lag man beängstigend weit hinter dem Zeitplan zurück. Es gab so viele Probleme, daß man darüber hätte lachen können, wenn nicht soviel auf dem Spiel gestanden hätte. Es herrschte ein akuter Mangel an Beton und an Eisen für die Stützträger. Es gab zu wenig Baustellen, und in den Häfen an der Südostküste fehlte es an Platz für die Vertäuung fertiger Elemente. Obendrein herrschte ein Mangel an Fachkräften, und die Arbeiter, die bereits an dem Projekt arbeiteten, waren erschöpft und infolge der Lebensmittelknappheit unterernährt.
Es war eine Katastrophe. Ohne die Senkkästen, die als Wellenbrecher dienen sollten, war das gesamte Mulberry-Projekt nicht durchführbar. Man brauchte dringend jemanden, der gleich am nächsten Morgen die Baustellen inspizierte und realistisch einschätzte, ob die Phönixe noch rechtzeitig fertiggestellt werden konnten - jemanden, der bereits Großprojekte geleitet hatte und wußte, wie man vor Ort Planänderungen vornahm, wenn die Arbeiten bereits im Gang waren.
Die Wahl der anwesenden Offiziere fiel auf den früheren Chefingenieur der Northeast Bridge Company, Commander Peter Jordan.
35
London
Die Londoner Presse berichtete in den Abendausgaben über den Mord im Hyde Park. Alle Zeitungen zitierten aus der falschen Erklärung der Polizei. Danach handelte er sich bei dem Mord um einen gescheiterten Raub, und die Polizei fahndete nach zwei Männe rn osteuropäischer Herkunft, sehr wahrscheinlich Polen, die kurz vor der Tatzeit im Park gesehen worden seien. Harry hatte sogar eine ziemlich vage Beschreibung der beiden Verdächtigen beigefügt. Alle Blätter beklagten den schockierenden Anstieg der Gewaltkriminalität auf den Straßen im West End seit Kriegsbeginn. Sie berichteten über Männer und Frauen, die in den letzten Monaten von vagabundierenden Flüchtlingen, betrunkenen Soldaten und Deserteuren zusammengeschlagen und ausgeraubt worden waren.
Vicary, dem das geschriebene Wort heilig war, verspürte leichte Gewissensbisse, als er am Schreibtisch die Zeitungen durchblätterte. Diese Irreführung von Presse und Öffentlichkeit behagte ihm nicht, doch er tröstete sich mit dem Gedanken, daß er unmöglich die Wahrheit sagen konnte - daß Rose Morely wahrscheinlich von einer deutschen Spionin ermordet worden war.
Bis zum Nachmittag hatten Harry Dalton und ein Team von Beamten der Londoner Polizei die letzten Stunden im Leben von Rose Morely rekonstruiert. Harry saß in Vicarys Büro und hatte die langen Beine auf den Schreibtisch gelegt, so daß Vicary ein Blick auf seine durchgelaufenen Sohlen vergönnt war.
»Wir haben das Dienstmädchen von Commander Higgins vernommen«, sagte Harry. »Sie sagt, daß Rose einkaufen gegangen war. Wie fast jeden Nachmittag, bevor die Kinder von der Schule nach Hause kamen. Die Quittung, die wir in ihrer Tasche fanden, stammt aus einem Laden in der Oxford Street nahe Tottenham Court Road. Wir haben mit dem Ladeninhaber gesprochen. Er hat sich an sie erinnert. Er wußte sogar noch ziemlich genau, was sie gekauft hatte. Er sagt, daß sie auf der Straße eine Bekannte getroffen habe - eine Hausangestellte wie sie. Sie tranken in einem Café gegenüber Tee. Wir haben mit der Bedienung gesprochen. Sie hat es bestätigt.«
Vicary hörte aufmerksam zu und
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