Double Cross. Falsches Spiel
verfolgte Vicarys Bericht mit stoischem Schweigen. Er verzichtete sogar auf die übliche Zappelei und Drängelei und schien aufmerksamer zuzuhören als sonst.
»Gut«, sagte Boothby schließlich. »Das ist die erste erfreuliche Nachricht in diesem Fall. Ich hoffe in Ihrem eigenen Interesse, daß Sie recht haben und daß zwischen den beiden Morden eine Verbindung besteht.«
Und dann breitete er sich darüber aus, wie wichtig es sei, Geduld zu haben und sorgfältig zu ermitteln. Vicary dachte an Grace Clarendon. Am liebsten hätte er Boothby gefragt, warum sie in seinem Büro gewesen sei, aber einen neuerlichen Vortrag zum Thema Informationsbedarf hätte er jetzt nicht ertragen.
Vicary hatte ihretwegen ein schlechtes Gewissen. Er hatte sich verrechnet. Er hatte Graces Kopf auf den Richtblock gelegt, um in einem ohnehin verlorenen Streit mit Boothby einen Punkt zu machen, und Boothby hatte das Beil herabsausen lassen. Er fragte sich, ob er sie gefeuert oder ob er es bei einem strengen Verweis belassen hatte. Sie war eine wertvolle Mitarbeiterin, intelligent und engagiert. Er hoffte, Boothby hatte sie geschont.
»Ich setze mich gleich mit dem Chef der Watchers in Verbindung und weise ihn an, daß er ihnen jeden Mann gibt, den er entbehren kann.«
»Ich danke Ihnen, Sir Basil«, sagte Vicary, stand auf und wandte sich zum Gehen.
»Ich weiß, daß es in diesem Fall Differenzen zwischen uns gab, Alfred, und ich kann nur hoffen, daß Sie mit all dem recht haben.« Boothby zögerte. »Ich habe vor ein paar Minuten mit dem Generaldirektor gesprochen.«
»Oh?« sagte Vicary.
»Er gibt Ihnen die sprichwörtlichen vierundzwanzig Stunden, Alfred. Wenn Ihnen bis dahin kein Durchbruch gelingt, wird Ihnen der Fall entzogen, fürchte ich.«
Als Vicary gegangen war, faßte Boothby über den Schreibtisch und griff nach dem Hörer seines abhörsicheren Telefons. Er wählte eine vierstellige Nummer und wartete.
Wie üblich meldete sich der Mann am anderen Ende der Leitung nicht mit seinem Namen. Er sagte nur: »Ja?«
Auch Boothby nannte seinen Namen nicht. »Wie es scheint, zieht unser Freund das Netz um sein Opfer zusammen«, sagte er. »Jetzt beginnt der zweite Akt.«
Der Mann am anderen Ende der Leitung murmelte ein paar Worte, dann unterbrach er die Verbindung.
Ihr Taxi hielt fünf Minuten nach elf vor Peter Jordans Haus.
Catherine sah ihn vor der Haustür stehen, eine Taschenlampe in der Hand. Sie stieg aus und bezahlte den Fahrer. Irgendwo in der Straße wurde ein Auto angelassen. Das Taxi fuhr davon. Sie trat einen Schritt auf Jordan zu, da hörte sie eine n Motor aufheulen und Reifen auf der nassen Straße quietschen. Sie drehte den Kopf in die Richtung, aus der der Lärm kam, und sah einen Lieferwagen auf sich zu rasen. Er war nur noch wenige Meter von ihr entfernt, zu nahe, um ihm auszuweichen. Sie schloß die Augen und erwartete den Tod.
Dicky Dobbs hatte noch nie einen Menschen umgebracht.
Gewiß, er hatte schon so manchem die Knochen gebrochen, so manchem das Gesicht ruiniert. Einen Kerl hatte er sogar zum Krüppel geschlagen, weil er sich geweigert hatte, Schutzgeld zu bezahlen. Aber getötet hatte er noch niemanden. Eigentlich sollte e s mir ein Vergnügen sein, dieses Miststück umzubringen.
Sie hatte Vernon und Vivie ermordet. Sie hatte ihn so oft abgehängt, daß er mit dem Zählen nicht mehr nachkam. Und wer wußte, was sie mit dem Amerikaner im Schilde führte. Ein Taxi bog in die verdunkelte Straße ein. Dicky drehte sachte den Schlüssel und ließ den Motor des Lieferwagens an. Er gab etwas Gas und brachte den Motor auf Touren. Dann legte er die Hand auf den Scha ltknüppel und wartete. Das Taxi fuhr davon. Die Frau trat auf die Fahrbahn. Er legte den Gang ein und gab Vollgas.
Warme, weiche Dunkelheit umfing sie. Sie nahm nichts wahr, nur ein fernes Klingen in den Ohren. Sie versuchte, die Augen zu öffnen, konnte aber nicht. Sie versuchte zu atmen, konnte aber nicht. Sie dachte an ihren Vater und an ihre Mutter. Sie dachte an Maria, und sie träumte, sie sei wieder in Spanien und liege auf einem warmen Felsen neben dem Fluß. Es hatte nie einen Krieg gegeben, Kurt Vogel war nie in ihr Leben getreten.
Dann, ganz langsam, spürte sie einen stechenden Schmerz am Hinterkopf, und etwas Schweres drückte ihren Körper nieder.
Ihre Lunge gierte nach Sauerstoff. Sie schluckte, aber sie konnte noch immer nicht atmen. Sie sah helle Lichter, die wie Sternschnuppen durch die weite schwarze Leere zuckten.
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