Double Cross. Falsches Spiel
später.«
»Von Hitler höchstpersönlich überreicht.«
»Jetzt kommt das Wichtigste. Ich glaube, er hat vor dem Krieg kurze Zeit in Canaris' Stab bei der Abwehr gedient.«
Der Adjutant blätterte in der Akte. »Ja, Sir. Da haben wir es.
Hoffmann war von 1938 bis 1939 an der Abwehr-Zentrale in Berlin tätig. Nach Ausbruch des Krieges kehrte er zur Kriegsmarine zurück und erhielt das Kommando über U-5O9.«
Braithwaite starrte wieder auf den Kartentisch. »Patrick, wenn Sie einen wichtigen deutschen Spion aus Großbritannien herausholen müßten, dann wäre es Ihnen doch lieb, wenn ein alter Freund den Chauffeur spielt?«
»In der Tat, Sir.«
»Verbinden Sie mich bitte mit Vicary vom MI5. Ich glaube, wir sollten mal miteinander plaudern.«
57
London
Alfred Vicary stand vor einer zwei Meter fünfzig hohen Karte der Britischen Inseln, rauchte, trank schlechten Tee und dachte: Jetzt weiß ich, wie Adolf Hitler sich fühlen muß. Nach dem Telefonanruf von Commander Lowe vom Horchposten des Y-Dienstes in Scarborough konnte man davon ausgehen, daß die Spione versuchen wollten, mit Hilfe eines U-Boots aus England zu entwischen. Allerdings gab es da noch ein Problem: Vicary hatte nur eine vage Ahnung, wann, und eine noch vagere, wo.
Er nahm an, daß die Spione vor der Morgendämmerung an Bord des U-Boots gehen mußten. Nach Tagesanbruch wurde es für ein U-Boot zu gefährlich, in Küstennähe an der Oberfläche zu bleiben. Vielleicht schickte das U-Boot auch ein Schlauchboot - auf diese Weise schleuste die Abwehr ja viele Spione nach England -, doch Vicary bezweifelte, daß es bei der schweren See einen solchen Versuch wagen würde. Ein Boot zu stehlen war nicht so einfach, wie es sich anhörte. Die Royal Navy hatte fast alle seetüchtigen Wasserfahrzeuge beschlagnahmt. Und die Fischerei in der Nordsee war stark zurückgegangen, weil ein Großteil der Küstengewässer vermint war. Das flüchtige Agentenpärchen würde Mühe haben, in dieser stürmischen Nacht auf die schnelle ein seetüchtiges Boot zu finden.
Aber vielleicht haben sie schon ein Boot, dachte er.
Noch schwieriger war die Frage, an welchem Punkt der Küste die Spione in See stechen würden. Vicary betrachtete die Karte.
Der Y-Dienst hatte den Standort des Senders nicht exakt ermitteln können. Um überhaupt einen Anhaltspunkt zu haben, entschied sich Vicary einfach für den Mittelpunkt des riesigen Gebiets, das man ihm genannt hatte. Er fuhr mit dem Finger
über die Karte, bis er bei der Küste von Norfolk angelangt war.
Ja, das paßte zusammen. Vicary kannte die Zugfahrpläne. Ein Spion konnte sich in einem Dorf an der Küste verstecken und dank der direkten Zugverbindung zwischen Hunstanton und London trotzdem innerhalb von drei Stunden in die Hauptstadt gelangen.
Vicary ging davon aus, daß die Flüchtigen über ein gutes Fahrzeug und jede Menge Benzin verfügten. Sie waren schon ein gutes Stück von London entfernt, und aufgrund der starken Polizeipräsenz in den Zügen war es so gut wie sicher, daß sie.
nicht die Bahn benutzt hatten.
Wie weit konnten sie von der Norfolker Küste aus gelangen, bevor sie in ein Boot stiegen und aufs Meer hinausfuhren?
Das U-Boot würde sich der Küste wahrscheinlich nur bis auf zehn Meilen nähern. Die Spione brauchten mindestens eine Stunde, um so weit aufs Meer hinauszufahren. Wenn das U-Boot bei Tagesanbruch tauchte, dann mußten sie spätestens um sechs Uhr morgens in See stechen, wenn sie es rechtzeitig erreichen wollten. Der Funkspruch war um zehn Uhr abends gesendet worden. Damit hatten sie maximal acht Stunden für die Fahrt mit dem Auto. Wie weit konnten sie kommen? In Anbetracht des Wetters, der Verdunkelung und der schlechten Straßen etwa hundertfünfzig bis zweihundertfünfzig Kilometer weit.
Vicary warf einen deprimierten Blick auf die Karte. Der in Frage kommende Küstenstreifen reichte von der Mündung der Themse im Süden bis zum Humber im Norden. Es war fast unmöglich, dieses riesige Gebiet zu überwachen. Die Küste war mit kleinen Häfen, Fischerdörfern und Anlegestellen übersät.
Vicary hatte die örtlichen Polizeireviere ersucht, jeden verfügbaren Mann aufzubieten. Das Küstenkommando der Royal Air Force hatte zugesagt, gleich nach Tagesanbruch Suchflüge durchzuführen, aber Vicary fürchtete, dann könnte es bereits zu spät sein. Korvetten der Royal Navy hielten nach kleinen Booten Ausschau, obwohl in einer verregneten, mondlosen Nacht wie dieser auf See praktisch
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