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Double Cross. Falsches Spiel

Double Cross. Falsches Spiel

Titel: Double Cross. Falsches Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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diesem Raum sofort in ihren Bann. Die fensterlosen Wände waren mit Karten, Schaubildern und den Fotos von U-Booten und ihren Besatzungen bedeckt. Mehrere Dutzend Offiziere und Schreibkräfte arbeiteten an großen Tischen in den Ecken des Raumes. In der Mitte stand der große Auswertetisch mit der Nordatlantikkarte, auf der die Positionen sämtlicher Kriegsschiffe, Frachter und U-Boote vom Baltischen Meer bis Cape Cod mit farbigen Fähnchen markiert waren.
    An einer Wand hing ein großes Foto von Ad miral Karl Dönitz, dem Oberbefehlshaber der deutschen Kriegsmarine.
    Braithwaite zwinkerte ihm wie immer zu und sagte: »Guten Morgen, Herr Admiral.« Dann öffnete er die Tür seiner Glaskabine, zog den Mantel aus und setzte sich an den Schreibtisch.
    Er griff nach dem Stapel mit den entschlüsselten Funksprüchen, der ihn jeden Morgen erwartete, und dachte: Kein Vergleich zu 1939, alter Junge.
    Damals hatte er gerade sein Jura-und Psychologiestudium in Cambridge und Yale beendet und überlegt, was er damit anfange n sollte. Nach Ausbruch des Krieges wollte er sich nützlich machen, und da er fließend Deutsch sprach, verhörte er deutsche Kriegsgefangene. Seine Vorgesetzten waren so beeindruckt, daß sie seine Versetzung in die Zitadelle empfahlen, und so kam er auf dem Höhepunkt der Atlantikschlacht als ziviler Freiwilliger zur U-Boot-Aufklärung.
    Durch seine Intelligenz und seinen Elan fiel er sofort auf. Er stürzte sich in die Arbeit, meldete sich freiwillig für Sonderaufgaben und las jedes Buch, das er über die Geschichte und Strategie der deutschen Kriegsmarine finden konnte. Da er über ein hervorragendes Gedächtnis verfügte, hatte er bald die Biographie jedes Kapitänleutnants der deutschen U-Bootwaffe im Kopf. Schon nach wenigen Monaten konnte er die Bewegungen von U-Booten mit bemerkenswerter Genauigkeit voraussagen. Auch dies blieb nicht unbemerkt, und so hatte man ihn in den Rang eines Fregattenkapitäns auf Zeit erhoben und mit der U-Boot-Aufklärung betraut, ein erstaunlicher Aufstieg für jemanden, der nicht das Naval College in Dartmouth besucht hatte.
    Sein Adjutant klopfte an die Glastür, wartete auf Braithwaites Nicken und trat ein. »Guten Morgen, Sir«, sagte er und stellte ein Tablett mit Tee und Biskuits auf den Schreibtisch.
    »Morgen, Patrick.«
    »Wegen des Wetters war es ziemlich ruhig letzte Nacht, Sir.
    Es wurde nicht ein einziges aufgetauchtes U-Boot gesichtet. In den westlichen Revieren hat sich der Sturm gelegt. Er tobt jetzt vor allem an der Ostküste von Yorkshire bis Suffolk.«
    Braithwaite nickte, und der Adjutant ging wieder hinaus. Die ersten Papiere auf dem Stapel waren Routinesachen und betrafen den abgehörten Funkverkehr zwischen U-Booten und dem BdU. Doch das fünfte Blatt erregte Braithwaites Aufmerksamkeit. Es war eine Alarmmeldung von einem Major Alfred Vicary aus dem Kriegsministerium. Danach fahndeten die Behörden nach zwei Personen, einem Mann und einer Frau, die möglicherweise versuchten, das Land zu verlassen.
    Braithwaite mußte über Vicarys vorsichtige Untertreibung lächeln. Vicary war offensichtlich vom MI5. Bei den beiden Gesuchten handelte es sich anscheinend um deutsche Agenten, und was immer sie auch im Schilde führten, es mußte verdammt wichtig sein, sonst wäre die Meldung nicht auf seinem Schreibtisch gelandet. Braithwaite legte sie beiseite und ging den Rest des Stapels durch.
    Nach einigen weiteren Routineberichten stieß er wieder auf etwas Interessantes. Eine Marinehelferin vom Y-Dienst in Scarborough hatte Funksprüche aufgefangen, die, wie sie glaubte, zwischen einem U-Boot und einem Funkgerät an der Küste ausgetauscht worden waren. Mit Hilfe von Huff Duff hatte man den Sender lokalisiert. Sein Standort war irgendwo an der Ostküste zwischen Lincolnshire und Suffolk. Braithwaite nahm den Bericht vom Stapel und legte ihn neben Vicarys Meldung.
    Er stand auf und hinkte aus seiner Kabine in den Hauptraum, wo er vor dem Auswertetisch mit der Nordatlantikkarte stehenblieb. Zwei Mitglieder seines Stabs steckten gerade die farbigen Fähnchen um, um die nächtlichen Bewegungen festzuhalten. Braithwaite schien die Männer nicht zu bemerken.
    Er heftete seinen Blick mit ernstem Gesicht auf die Gewässer vor der britischen Ostküste.
    Einen Augenblick später sagte er ruhig: »Patrick, bringen Sie mir die Akte von U-5O9.«

55
    Hampton Sands, Norfolk

    Jenny war völlig erschöpft, als sie das Kiefernwäldchen am Fuß der Dünen erreichte. Sie hatte

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