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Down Under - Reise durch Australien

Down Under - Reise durch Australien

Titel: Down Under - Reise durch Australien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandy & Rau Rau
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Identität nehmen. Außerdem machen es der Staat und die Wohlfahrt vielen von uns zu leicht, indem sie monatlich Geld zahlen – dadurch müssen sich die Leute gar keine Mühe geben, etwas anders zu machen. So werden die Menschen schwach und lethargisch.«
    Er wandte sich wieder nach vorne und machte eine weit umfassende Geste. »Dieses Land ist uns heilig. Aber wir mussten lernen, es zu teilen. Wir müssen es immer noch lernen.«
    Eine Zeit lang schwiegen wir und wussten nicht, was wir sagen sollten. Schließlich fasste ich mir ein Herz.
    »Aber ihr habt gesagt, dass ihr hier immer noch überleben könnt.«
    »Ja«, sagte Timothy und drehte sich wieder zu uns um. »Wir leben modern, sind aber doch unseren Wurzeln verpflichtet. Und so soll es auch bleiben. Seht ihr den Berg dort hinten?«
    Ich spähte aus dem Fenster und nickte.
    »Berge bedeuten Grenzen«, fuhr Timothy fort. »Grenzen zwischen unseren Völkern. Wir vermischen uns nicht und treffen uns nur auf neutralem Boden. Wir haben große Familien. Die Familie hat bei uns den höchsten Stellenwert. Sie bedeutet mehr als Geld oder alle anderen Werte auf der Welt. Bei euch in Europa oder auch bei uns in den großen Städten scheint es oft andersherum. Viele leben allein, und Stress beherrscht den Menschen. Persönlicher Besitz und damit Neid war unseren Stämmen früher vollkommen fremd. Wir haben auch keine Häuptlinge oder Führer, und die Alten genießen den Respekt des Wissens und Bewahrens.«
    Während Timothy noch sprach, hatte Jeff den Wagen abgebremst und schließlich angehalten. Durch die Windschutzscheibe sah ich, dass wir am gegenüberliegenden Rand des Salzsees angelangt waren. Nicht weit voraus schloss sich eine hügelige, mit Grasbüscheln durchsetzte Dünenlandschaft an. Jeff stellte den Motor ab und öffnete die Fahrertür.
    »Kommt, steigt aus! Wir fahren niemals über den ganzen See. Denn wenn wir das tun würden, verlören wir die Ehrfurcht vor ihm. Den restlichen Weg bis zum Rand laufen wir.«
    Mit gemischten Gefühlen kletterte ich aus dem Wagen und schätzte die Entfernung bis zum Rand des Sees ab. Timothy beobachtete mich aus den Augenwinkeln.
    »Du hast eine Verletzung am Bein«, sagte er leise zu mir.
    »Ja«, erwiderte ich überrascht. »Seit einer Woche schon. Ich glaube, das ist mir zu weit bis zum Rand.«
    »Du kannst laufen«, sagte Timothy ruhig. »Und dann werden wir sehen, was wir für dein Bein tun können.«
    Colin und die anderen hatten ihr Fahrzeug nicht weit von uns abgestellt und warteten. Jeff bedeutete ihnen, zu uns herüberzukommen. Als sie bei uns waren, breitete Timothy die Arme aus und deutete in die Richtung, aus der wir gekommen waren. Die scheinbare Unendlichkeit des Salzsees glitzerte durch Milliarden von Salzkristallen, die das Sonnenlicht reflektierten. Das Bild, das sich uns bot, wirkte lebensfeindlich, sprach von unglaublicher Einsamkeit und Einöde, und strahlte doch eine Art Erhabenheit aus.
    »Das ist ein Platz, der Gedanken hervorbringt, die man noch nie gedacht hat. Er ist wie ein Freund, der einem Rat gibt. Ich komme oft hierher, setze mich in die Mitte des Sees und schreibe. Kein Schreibtisch der Welt kann diesen Platz ersetzen.«
    Timothy ließ seine Worte nachwirken. Wir standen für einige Minuten schweigend bei ihm und schauten auf das weiße Meer, auf dessen Oberfläche sich nur die heiße wabernde Luft bewegte. Ich versuchte mir vorzustellen, wie es wäre, allein an diesem Ort zu sein, aber es gelang mir nicht.
    »Wir gehen jetzt dort hinüber zu den Dünen«, sagte Jeff schließlich. »Ich möchte, dass niemand von euch ein Wort sagt, bis wir bei den Dünen angelangt sind.«
    Niemand entgegnete daraufhin etwas. Mochten wir in den vergangenen Tagen auch noch so herumgealbert und kaum einmal den Mund gehalten haben, respektierten wir an diesem Ort und in der Gegenwart dieser beiden Männer jedes ihrer Worte.
    Gemeinsam gingen wir los und setzten bedächtig einen Fuß vor den anderen. Ich versuchte, den Schmerz zu ignorieren, der mit jedem Schritt mein Bein durchzuckte. Ich dachte daran, dass wir Fremde an einem für andere Menschen heiligen Ort waren und versuchte, meine Sinne dem Denken eines alten Volkes anzupassen. Das weiße Salz der Oberfläche glitzerte in der Sonne wie Schnee, und beim Auftreten zerbrachen die Kristalle wie splitterndes feines Glas. Nichts sonst war zu hören. Beinahe jede Umgebung erzeugt irgendwelche Hintergrundgeräusche, hier jedoch gab es außer uns nichts, das man hätte

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