Down Under - Reise durch Australien
herzlich. Etwas verlegen und unsicher reichten auch wir ihnen die Hand. Nicht nur ich hatte mir die Begegnung mit Eingeborenen anders vorgestellt. Irgendwie war das Bild einer Gruppe spärlich bekleideter Menschen mit Speeren in der Hand durch meinen Kopf gegeistert, während ich mich innerlich auf unser Treffen vorbereitet hatte. Jetzt standen zwei Männer vor uns, denen man zwar ihre Herkunft aufgrund ihrer tiefschwarzen Haut und vor allem ihrer stolzen Haltung ansehen konnte, aber ansonsten waren sie gekleidet wie wir, mit Jeans und T-Shirt, fuhren ein Auto, und einen Speer konnte ich auch nirgends entdecken. Im ersten Moment war ich enttäuscht.
»Ich bin Timothy«, sagte der Ältere der beiden und lächelte mich an. »Und das ist mein Sohn Jeff.«
Ich lächelte zurück und blickte in ein paar unergründlich tiefe, dunkle und sehr warme Augen. Timothy schien mir um die sechzig Jahre alt zu sein, und seinen Sohn schätzte ich auf Anfang dreißig. Ich hätte aber auch völlig danebenliegen können. Während ich Timothy noch in die Augen blickte, schienen Tausende von Jahren blitzartig an mir vorbeizuziehen. Ich fühlte regelrecht, wie sich mein Geist und auch mein Körper durch die Ruhe, die die beiden ausstrahlten, entspannten.
»Wir werden bis fast zum anderen Ende des Sees fahren«, sagte Colin, »und dann den Rest laufen. Das ist ein einmaliges Erlebnis, und Timothy und Jeff werden euch einiges erzählen.«
Colin verständigte sich mit den beiden Männern, stieg dann wieder in seinen Wagen und bedeutete uns, ihm zu folgen.
»Wenn ihr möchtet, könnt ihr auch mit uns mitfahren«, sagte Jeff und sah mich an. »Zwei Plätze haben wir noch.«
»Klar!«, sagte Sandy, ehe uns jemand zuvorkommen konnte. Der Pick-up war ein lang gestrecktes Modell und besaß noch eine zweite Sitzreihe. Nachdem Sandy und ich reingeklettert waren, ließ Jeff den Motor an und folgte Colin, der schon vorausgefahren war.
»Was hört ihr für Musik?«, fragte Timothy nach hinten.
»Rhythm and Blues!«, antworteten Sandy und ich wie aus einem Mund. »Aber das habt ihr wahrscheinlich nicht«, ergänzte ich noch, was mir aber sofort leidtat.
»Hier im Auto hab ich leider nichts in der Richtung«, lachte Jeff. »Aber zu Hause habe ich jede CD von R. Kelly! Wie wär’s mit den Counting Crows und Mister Jones?«
Jeff legte die Kassette ein, und zu den Klängen der Band fuhren wir in immer schnellerem Tempo über den Salzsee. Timothy drehte die Lautstärke herunter und wandte sich zu uns um.
»Ihr wollt doch sicher einiges fragen«, lächelte er. »Zum Beispiel, warum wir Auto fahren können!«
Er sah mein sichtlich verlegenes Gesicht und lachte laut und herzlich. »Es gibt Stämme im Northern Territory, bei denen tatsächlich niemand Auto fahren kann. Aber natürlich kann man nicht abgeschnitten vom Rest der Welt leben. Die moderne Zeit ist ein Fluch für alte Traditionen und zerstört einen Großteil von ihr. Aber versteht man es, die guten Dinge zu nutzen und gleichzeitig altes Wissen zu bewahren, kann es für alle ein Vorteil sein. Seht euch zum Beispiel Colin an«, sagte er und deutete auf den vorausfahrenden und eine weiße Staubwolke aufwirbelnden Wagen. »Würde sein Landrover jetzt eine Panne und er kein Funkgerät haben, würde er nicht lange überleben. Wenn unser altes Ding hier jedoch seinen Geist aufgäbe, würden wir einfach zu Fuß weitergehen, Wasser und Nahrung finden und nur etwas später nach Hause kommen.«
»Dann ist es ja gut, dass wir bei euch mitfahren«, sagte Sandy.
»Ja!«, lachte Jeff hinter seinem Steuer. »Aber wir haben diese Fähigkeiten ja nicht zwangsläufig, nur weil wir Aborigines sind! Sie sind uns schließlich nicht eingegeben, sondern sie werden uns von unseren Ältesten weitervermittelt. Viele junge Leute wollen heute davon nichts mehr hören und sehen stattdessen lieber fern.«
»Und viele trinken zu viel Alkohol«, ergänzte Timothy ernst.
»Warum unternehmt ihr dann nichts dagegen?«, fragte ich. »Ihr könntet euch doch zusammenschließen und eine Stadt gründen oder gemeinsame Projekte durchführen.«
»Das ist leider nicht so einfach«, antwortete Timothy, und seine Augen fixierten mich durchdringend. »Es gibt mehr als zweihundert Aborigine-Stämme und nicht zwei von ihnen sprechen die gleiche Sprache. Außer Englisch natürlich. Wir leben aus der Geschichte heraus streng getrennt nach Stämmen, und es wäre schwer, dies zu überwinden. Schon allein das würde uns einen Teil unserer
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