Downtown Blues
rechnet.
City Force-Agent AJ733894 in den vorzeitigen Ruhestand versetzt.
Wieder hat’s einen erwischt. Wieder einen – mit Dels Nummer. Fraser, der Scheißkerl, er hat’s die ganze Zeit gewusst.
»Donovan, wo ist DelMonico?«
»Los, sagen Sie schon, was ist passiert?« Ich spring auf, pack ihn, schrei Worte – zusammenhanglos – Drohungen.
»Die Daten sind noch nicht ausgewertet«, sagt er lahm. »Tut mir Leid, Donovan, ist immer hart, den Partner zu verlieren.«
Gerede, nichts als Gerede. Doch ich werd’s rausfinden. Kein Fall, City-Agents, keine Akte, keine Partnerin. Ich weiß nicht genau, was ich fühl – Zorn, Trauer, und auch Enttäuschung und Wut über einen Verrat ohne sichtbaren Verräter.
»Nehmen Sie sich ein paar Tage frei, Donovan«, sagt Fraser. »DelMonico war eine der Besten.«
Seine Worte hinterlassen einen schlechten Geschmack, klingen falsch, so falsch wie Bürgermeister Warrings Wahlkampflächeln.
Draußen dämmert der Morgen. Von meinem Platz aus kann ich es eher ahnen als sehen. Schichtende nach einer ganz gewöhnlichen Nachtschicht – nur ein Ausfall für die Abteilung. Draußen in den Straßen liegt immer noch der gleiche Müll, ist immer noch Smogalarm. Und irgendwo da draußen will einer den großen Stardust-Deal machen, einer ohne Gesicht, ein Schatten mit mächtigen Freunden und viel Protektion. Was bleibt, sind seine Opfer, und sie haben Gesichter, sehen aus wie das Mädchen aus der Uptown – Shirette – und wie meine Partnerin – City Force-Agent DelMonico. Und während ich auf die stumpfen Scheiben starre, leiste ich einen stillen Schwur: Ich werde herausfinden, was in dieser Nacht passiert ist. Für CF-Agent DelMonico und für mich.
Im Barrio
»… es muss zumindest erlaubt sein, darüber nachzudenken, was sich hinter diesem so genannten Krieg gegen Drogen verbirgt, einem Krieg, der nicht gewonnen werden kann und von dem man annehmen muss, dass er auch gar nicht gewonnen werden soll, weil mit Drogen und ihrer Bekämpfung zu viel Geld zu verdienen ist.«
– William S. Burroughs – 1990
Ich weiß nicht mehr, wie viele Wochen ich nur rumhing und grübelte. War es Wut oder Enttäuschung, die Tage in Nächte und Nächte in Tage übergehen ließ, oder war es die Stimme in meinem Kopf, die immerzu ›Verrat‹ schrie? Nichts brachte diese Stimme zum Schweigen, nur der zeitlose Nebel dämpfte sie. Damals, als das mit meinen Eltern passierte, war er auch da gewesen, dieser Nebel. Ich hatte es nur vergessen.
Ich riss meine Stunden ab, machte ein paar Bodyguard-Jobs und spielte den Babysitter für ein paar Politikerärsche auf Wahlkampftour. Nicht eben spannend, aber genau was ich brauchte. Und dann der Innendienst – da können sie einen auch gleich suspendieren. Macht dich weich, die Rumhockerei, weich und leichtsinnig. Nur ein paar Wochen und du hast dein Gespür für die Straße verloren.
Fraser rief mich bald jeden Tag in sein Büro, fragte, wen ich als neuen Partner haben wollte, bat, drohte, fluchte. Ich schwieg, was gab es schon zu sagen? Cop-Kater, nannten sie es im CF-HQ. Ich zeigte alle Symptome, er hatte mich voll erwischt. Klar, vertrau deinem Partner, vertrau ihm, bis er dir ein Messer in den Rücken stößt oder in einer miesen Chicano-Bar im Barrio verschwindet. Dabei hast du noch Glück gehabt, Donovan. Weißt du nicht mehr? Drei Partner in zwei Jahren. Hab nie gefragt, was aus ihnen geworden ist, war vermutlich auch besser so. Heb dir ’n paar Fragen auf für schlechte Zeiten, für Regentage und Neujahrsabend und all die Feiertage.
»Verdammt, Donovan, Fraser hat dich auf der Abschussliste. Tu was. Besauf dich, geh auf Reisen, schlag ’n paar Punks zusammen oder reiß dir ’nen Kerl auf, nur tu irgendwas, verdammt.«
Sie meinen’s nur gut mit mir, City Force-Agent Brubaker und all die anderen, merken nicht, wie sie mich voll quatschen. Ich kann mich selbst nicht leiden dieser Tage, vielleicht besser, wenn ich den Job für ’n paar Wochen schmeiß, nur um nachzudenken oder so.
Ich geh in Frasers Kabuff und lege ihm meine Ideen vor.
Fraser sieht das anders, er will mich wieder auf der Straße haben. »Seltsame Gerüchte gehen in den Straßen um. Soll ein neuer Stoff auf dem Markt sein, irgendein Designerzeug, angeblich aus ’nem Uptown-Labor. Ihr Fall, Donovan.«
»Ah ja, Sergeant?« Welche Nummer will der Scheißkerl jetzt schon wieder abziehen? »Schon vergessen, dass Sie mich von meinem letzten Drogenfall gerade erst abgezogen
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