Downtown Blues
meine Ohren wie ein Donnerschlag.
Nur eine Warnung für einen dummen Cop? Noch mal davongekommen, City Force-Agent. Gib mir eine AK 16, und ich bin König der Stadt. Doch was ist mit mir? Ich liege am Boden, das Gesicht im Dreck. Aber ich lebe. Ich lebe mit jedem trommelnden Herzschlag, mit jedem keuchenden Atemzug.
Klapp, schlapp. Das träge Klatschen von ausgelatschten Nikes. Ich sehe auf. Der Rikscha-Mann gibt mir Zeichen, grinst zahnlos, beruhigend. Gefahr vorbei. Einsteigen, Missi Fahrgast. Keine Warnung, kein Trinkgeld, alter Mann. Ich stehe vorsichtig auf, spüre jetzt erst den Schmerz des Aufpralls auf dem Kantstein, schüttle mir Zementstaub aus den Haaren und steige ein. Eine Falle, ein Zufall? Ich werde es wohl nie genau wissen. Dies ist ein Krieg, Donovan, und jeden Tag verlieren wir ein bisschen mehr. Mehr was? Leben, Kredit oder nur Einfluss?
Was war dein Einsatz, Partner? Immer wieder kehren meine Gedanken zu ihr zurück. Zwanghaft, besessen? Ist es verkehrt, dass ich nicht nur Fragen in meinem Leben haben will?
Cats Toyota. Immer noch die gleichen aufgeschlitzten Sitze, immer noch Dels Geist in meinem Kopf. Mein erster Tag an dem Fall ohne sie, und schon lauf ich im Kreis, lauf in ihre Fallen. Wo steckt der kleine Dealer? Muss ich mich schuldig fühlen, weil ich mich die letzten Wochen nicht um ihn gekümmert habe? Ich weiß es nicht.
Ich muss tiefer ins Barrio. Hier enden alle Spuren, hier schreiben Kinder Warnungen an die Wand, bevor sie dich abschießen. Die Capistranos, Dels letztes Treffen, die Mambo-Bar. Vielleicht sind wir bereits mitten in einem verdammten Drogenkrieg. Donovan, hier geht es um mehr als Informationen. Ja, Partner, wir sind am Abgrund, und ich bin nicht im Gefallen-gegen-Gefallen-Geschäft. Was hast du mir hinterlassen? Nur einen Haufen unbeantworteter Fragen, verschlüsselte Hinweise – vielleicht, und ein Spiel, dessen Regeln ich nicht kenne.
Der Rikscha-Mann hockt sich auf die Fersen, den ausgemergelten Rücken an die heiße Mauer gelehnt, über ihm bunte Trugbilder von Freiheit, lachende Frauen und Männer mit wehenden Fahnen. Viva la revolución, viva Kolumbien. Seine Kiefer kauen methodisch, Koka, Capistrano-Koks. Auch eine Art Kulturaustausch. Er hat es nicht eilig. Irgendwann kommt die nächste Fuhre. Das Leben geht weiter. Sätze, Belanglosigkeiten aufgereiht wie Münzen auf einer Schnur.
Irgendwo muss ich anfangen. Die nächste öffentliche SCom-Box. Chop, chop. Jeder Schritt bringt dich den Weisheiten des Konfuzius näher. Muss sie in einem Glückskeks gefunden haben, die letzte Wahrheit des Nike-Philosophen.
Ich lass mir die letzten unidentifizierten Outsider von der DWNTN-Zentrale überspielen. Nichts. Lass zur Sicherheit noch Cats Beschreibung gegenchecken. Wieder nichts. Unsichtbar in der Nacht verschwunden. Fast könnte man glauben, sie hätte alle Spuren hinter sich verwischt, meine Ex-Partnerin.
Wie weit reichen Einfluss und Protektion in dieser Stadt? So weit du willst, Partner. Wissen kann wie ein Virus sein. Isoliere die Wissenden von den Unwissenden. Doch was wusste Cat? Und was weiß ich?
Ich fühl mich seltsam losgelöst, alles scheint mir zu entgleiten, die Downtown mit ihren Straßen ist wie ein fremder Planet. Doch die Dinge verändern sich nicht so schnell hier, geändert hat sich mein Blickpunkt. Allein unterwegs, das ist es. Fraser hat Recht, ich muss mich entscheiden. Wer sich immer nach seinem Schatten umdreht, rennt irgendwann gegen eine Mauer – noch so ein Glückskeks-Spruch.
Ich reib mir die Augen, die scheinbar endlose Namensliste auf dem kleinen Monitor tanzt auf und ab. Tod im Schneegestöber. Dieser Krieg kennt keine Opfer, nur unidentifizierte Objekte.
Verschlusssache und Sonderstatus, wie passt das zusammen? Geh und kauf dir ’nen Eisbrecher, Donovan. Doch die gibt’s nicht hier, im Barrio. Die hinterlassen keine Adressen auf bunt bemalten Brandmauern. Ich merk immer mehr, wie mir Del abgeht, verdammt, sie hatte die guten Connections. Brubaker – was ist mit ihm? Kann ich’s riskieren, ihn zu fragen? Bei der City Force spielen alle ihr eigenes Spiel, nennen es das Prämienspiel. Für dich, jederzeit. Hey, warum nicht? Warten wir’s ab, Bru.
Ich will das HQ andialen, meine Hände zittern. Es trifft mich völlig unvorbereitet. Ich stürze aus der Box, beuge mich nach vorn, stütze mich mit den Händen auf den Oberschenkeln ab. Tief durchatmen, Donovan. Ich bin klatschnass. Spüre, wie mir der Schweiß den Rücken
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