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Downtown Blues

Downtown Blues

Titel: Downtown Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myra Cakan
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DelMonico, ohne mich – erst recht ohne mich.« Brus Stimme ist auf dem SCom-Speicher. Ich fühl mich überrumpelt, von meiner Vergangenheit eingeholt, einer sieben Stunden alten Vergangenheit. »Hör mir gut zu. Ich war noch einmal bei Reardon, er war mir noch was schuldig. Sagte, er hofft, dass ich die Infos diesmal der richtigen Frau gebe. Hat ’n wonniges Gemüt, mein Ex-Partner.« Brus Lachen klingt nicht zynisch, nur hilflos. »Jones war der große Stardust-Guru, es gab nur zu viele peinliche Unfälle. Gerüchte sagen, ein Unfall war der kleine W.J. Die Capistranos hängen auch dick mit drin, sollen die Formel von Jones gekauft haben, ein kleiner Gefallen-gegen-Gefallen-Deal. Haben aber noch ’n paar mitgeboten, heißt es, und die Chinks hat der Handel am meisten geärgert, die wollen den Stoff gar nicht erst auf dem Markt haben – ist schlecht fürs Geschäft, sagen sie. Gerüchte sagen, dass ein paar Punks dem Capistrano-Kurier einen Koffer voll Gratis-Proben geklaut haben, und damit ist der Stoff auf der Straße und die Sache eine DCU-Angelegenheit. Und die sind mächtig daran interessiert, dass die Sache nicht bekannt wird, befürchten sonst Panik auf den Straßen. Reardon sagt, der Stoff ist seit achtundvierzig Stunden im Umlauf, und was das heißt, brauch ich dir wohl nicht zu erklären. Reardon sagt noch, der Hombre aus der Endstufe ist Herman Santero und Concepcións Privat-Killer.« Die Stimme stockt. Ich hab das Gefühl, als gäbe es noch etwas, doch er schließt ab: »Das war’s.« Seine Stimme wird weich. »Jetzt schuldest du mir einen Gefallen. Pass auf dich auf und gerate nicht zwischen die Fronten, Cis.« Mit einem leisen Schnarren schaltet sich der Chip ab.
    Cis, schon lange hat mich niemand mehr so genannt, woher er es wohl weiß? Ich wünschte, er hätte mehr gesagt. Doch vielleicht war auch dies kein Abschied. Daran werde ich festhalten, wenn es nichts zum Halten gibt.
    Nicht zwischen die Fronten geraten – schätze, Bru weiß, wovon er spricht. Ich frag mich, ob ich jemals erfahren werde, was genau damals passiert ist.
    Und wo steh ich jetzt? Ich starre auf den Chip. War das alles, nur weitere unzusammenhängende Puzzleteile? Am besten warte ich auf den Abend, warte auf Ranson, seine Infos. Vielleicht helfen sie mir beim Zusammensetzen. Doch es kommt anders.
    »Ich muss mit Ihnen reden, City Force-Agent Donovan.«
    Heute bin ich verdammt gefragt. »Wer sind Sie?«
    »Lowell Brannigan, Ihr Boss.«
    Da ist es plötzlich wieder, dieses Gefühl. Ein Gefühl, als ob dir jemand über die Schulter sieht. Und irgendwann, wenn du ganz dicht dran bist, heißt es »Verschlusssache, CF-Agent, tut uns Leid«. So läuft das, wenn man Protektion hat. Aber diesmal bin ich gewarnt.
    »Wann und wo?«, sag ich nur, habe keine Angst vor Fragen, nur vor Antworten.
    »Da gibt es diese Bar an der Plaza, drei Häuser neben dem Schnellgericht.« Er stockt. »Ich dachte, das Treffen sollte eher informell sein.«
    »Gut«, sag ich, »bin in dreißig Minuten da.«
    Informell, was heißt das schon bei diesen Typen? Vielleicht: »Nichts von dem, was ich sage, werde ich später zugeben«? Politiker, ihre Sprache ist mir fremd.

    Er wartet schon an der Bar. Ich kenn sein Gesicht längst aus den Nachrichten und von Wahlplakaten, ein Gesicht, das viel zu anständig aussieht für diese dreckige Stadt.
    Er ist angespannt, wirft verstohlene Blicke über meine Schulter. »Sie sind allein?«
    Ich nicke, erstaunt über seine Frage. Fühlt er sich ohne Deckung, weil er ohne seine Bodyguards gekommen ist?
    »Setzen wir uns.« Sein Kinn zeigt auf die diskreten Nischen. Er geht los, ohne zu checken, ob ich nachkomme. Diskrete Kellner bringen Drinks in diskreten Gläsern. Diskreter, cooler Jazz im Hintergrund. Ist wirklich ’n verdammt feiner Laden für ’ne Straßenratte.
    Er sucht schon wieder seine Umgebung ab. Der Mann schafft es, dass ich jetzt auch kribbelig werde. Nur suchen meine Augen den Hinterausgang. So ist das, wenn man aus unterschiedlichen Welten kommt, Herr Bezirksstaatsanwalt. Seine Feinde kommen durch die Vordertür, meine bringen mich zum Weglaufen.
    »Der ESL hat erwähnt, dass ich mich für Ihren aktuellen Fall interessiere.«
    Beiläufiges Geplauder, nichts weiter. Es klingt weder nach einer Frage noch nach einer Feststellung, aber ich nicke wieder. Vor meinem inneren Auge sehe ich plötzlich einen dieser komischen nickenden Pappmaschee-Hündchen. Ich hebe schnell mein Glas und trinke, um mein Grinsen zu

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