Downtown Blues
verbergen. Niemand soll sagen, Donovan wüsste nicht, wie sie sich zum Idioten macht.
Er beugt sich über den Tisch, sein Lagerfeld N° 7 zieht zu mir rüber, und gewährt mir einen tiefen Blick in seine pigmentverstärkten Filmstaraugen, die ihm mindestens zehn Pluspunkte bei den weiblichen Wählern verschaffen – und laut Gerüchten auch bei Winona Warring. Er senkt vertraulich die Stimme. »Sie fragen sich vermutlich, warum ich dieses Treffen vorgeschlagen habe, CF-Agent Donovan?«
Ich hebe meine Hände zu einer »Hat ’n kleiner Cop ’ne eigene Meinung?«-Geste und grinse nichtssagend. Nicken tue ich jetzt erst mal nicht mehr.
Er räuspert sich irritiert. Offensichtlich hab ich ihm nicht das richtige Stichwort gegeben. »Ich hatte ein längeres Gespräch mit Ihrem Vorgesetzten, CF-Agent –« Er bricht ab, eine weitere bedeutungsschwere Pause schwebt über der polierten Tischplatte.
Kann wohl keiner so vielsagend schweigen wie der DA. Aber wenn dies das Spiel ist, warum, verdammt, soll ich es ihm leicht machen? Ich drehe mein Glas zwischen den Fingern, frage mich, worauf der Mann eigentlich rauswill. Dieses Politikergeschwätz mit seinen wortlosen Andeutungen und bedeutsamen Pausen ist nicht meine Sache. Del hätte gewusst, wie man mit Leuten wie Brannigan umgeht – Bru auch.
»Ich hörte davon.« Ich merke, dass ich schon anfange zu reden wie er. Er merkt es nicht. Reden wohl alle so in seiner kleinen Uptown-Welt.
»Sehr gut.« Er nickt und sieht mich dann auffordernd an.
Soll ich jetzt ein kleines Gedicht aufsagen oder was? Ich setze das Glas ab und steh auf. Erst Harding Jones, jetzt der DA, ich habe genug von diesen Uptown-Ritualen. Er runzelt die Stirn, genervt über mein mangelndes Entgegenkommen. Als er merkt, dass ich gehen will, streckt er die Hand aus, will mich festhalten. Für einen kaum wahrnehmbaren Moment flackert Panik in seinen Augen auf, er sucht nach Worten, nicht nach Phrasen. Ich spüre wieder diese Unsicherheit. Doch irgendetwas hält den Mann davon ab auszusprechen, was er mir so dringend sagen will.
»Bitte, es ist wichtig, hören Sie mir zu, CF-Agent, bitte.«
Ich setz mich wieder, er hat mich neugierig gemacht. Geht es hier um Fragen der Loyalität, DA? Verdammt, damit habe ich meine Probleme, seit ich bei der City Force bin. Warum hat mir auch niemand gesagt, dass Loyalität eine Frage des Meistbietenden ist?
»Ich weiß, ich habe nicht das Recht, Sie um einen Gefallen zu bitten, Donovan, aber etwas ist verloren gegangen und muss, ohne den offiziellen Weg zu gehen, wiedergefunden werden.« Er beugt sich vor, seine Stimme klingt eindringlich. »Es hängt mehr davon ab, als selbst ich mir vorstellen kann.«
»Etwas« ist verloren gegangen, so nennen sie es also, die Einflussreichen und Ehrgeizigen. »Etwas«, das gefunden werden soll, um dann im tiefsten Loch auf diesem Planten versenkt zu werden, zusammen mit einigen Namen und noch mehr schlechten Erinnerungen. Wäre da nicht dieser Ausdruck in seinen Augen, ich würde ihn zur Hölle schicken, aufstehen und nur noch rennen und nicht mehr anhalten, bis sich die Capistranos und Warrings dieser Stadt gegenseitig ausgerottet haben.
»Ein Koffer voll Sternenstaub, Staatsanwalt Brannigan?«
Er zieht laut den Atem ein. Wieder dieser besorgte Blick über die Schulter.
»Sie wissen davon? Gut.«
Seine Stimme klingt jetzt ganz ruhig, so als würde er die Last nicht mehr allein tragen müssen. Weiß der Mann denn nicht, was auf den Straßen seiner verrotteten Stadt passiert?
»Was ich nicht weiß, ist, wie ich da reinpasse.«
»Ich spreche jetzt nicht als Ihr Boss, Donovan«, er beugt sich wieder nach vorn, »sondern als – sagen wir – besorgter Bürger.«
»Sind wir das nicht alle, Staatsanwalt – besorgt?«
»Verdammt, Donovan, machen Sie es mir nicht so schwer.« Er lässt schon wieder seine Blicke durch die Bar schweifen. »Wir sitzen hier schon viel zu lange.«
»Und wer soll uns nicht sehen, Brannigan?« Jetzt lehne ich mich über den Tisch, gespielte Aggressivität in der Stimme. Reardon hat mir mehr beigebracht als Arme auszurenken. »Sie haben um dieses Treffen gebeten. Sagen Sie endlich, was Sie wollen.«
»Schon gut, Sie haben Recht, wütend zu sein. Man hat Ihnen übel mitgespielt. Ich weiß über die Sache mit Ihrer Partnerin Bescheid.« Er hebt sein Glas und trinkt den Inhalt in einem Zug. »Deshalb wollte ich auch mit Ihnen reden. Auch ich habe Vorgesetzte, auch ich werde unter Druck
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